Freitag, 9.4.2021, und Sonntag Quasimodogeniti, 11.4.2021, Erlangen, Bodelschwingh-Haus und Johanneskirche,
Text: Johannes 21,1-14
Pfr. Dr. R. Stahl
„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit Euch allen!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt in anderen Kulturen eine wunderbare Tradition: In dieser Osterzeit grüßt man sich nicht mit „Guten Tag“ oder mit „Grüß Gott“, sondern man grüßt sich mit „Christus ist auferstanden!“ Und man antwortet nicht seinerseits oder ihrerseits mit „Guten Tag“ oder mit „Grüß Gott“, sondern man antwortet mit „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Erstmals in meinem Leben habe ich das vor 48 Jahren erlebt, damals nur in Ansätzen verstanden: Am Abend des 1. Mai 1973 bei einem Spaziergang auf dem Roten Platz in Moskau zusammen mit damals Bekannten. Wir kamen mit zwei Altersgenossen ins Gespräch. Einer von ihnen grüßte plötzlich mit: «Христос воскресе!» / „Christus ist auferstanden!“ Ich glaube, die anderen Jugendlichen aus der DDR hatten nicht verstanden, was der Altersgenosse gesagt hatte, obwohl sie sich viel beser mit ihm unterhalten konnten. Ich hatte ihn verstanden, aber wusste nicht, was zu antworten ist und hatte deshalb nur «Да!», «Да!» / „Ja!“, „Ja!“ gesagt. Die eigentliche Antwort aber blieben wir alle schuldig: «Воистину воскресе!» / „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das war damals übrigens zwei Tage nach dem orthodoxen Osterfest, das am 29. April gewesen war – und dieses Jahr wird es erst am 2. Mai sein! Denken Sie dann an unsere Schwestern und Brüder! Aber alle sechs Jahre fallen beide Termine – das westkirchliche und das ostkirchliche – auf denselben Termin!
Und 2019 in der Osterzeit war mir in Siebenbürgen in Rumänien bei einem Spaziergang von Braşov / Kronstadt hinauf zur Tâmpa / zur Zinne ein Mann begegnet, der mich ganz selbstverständlich mit „Hristos a înviat!“ grüßte / „Christus ist auferstanden!“ Ich hoffe, dass ich mich richtig erinnere, geantwortet zu haben: „Adevărat a înviat!“ / „Er ist wahrhaftig auferstanden!“
Ich kann Ihnen bezeugen: Irgendwie verändern solche Grüße etwas. Sie vermitteln eine ganz neue Wirklichkeit:
Mitten in der Freude über den Aufstieg in der Natur – diese Vergewisserung, dass wenigstens einer den Tod überwunden hat. So vor zwei Jahren.
Oder: Mitten in dem Erlebnis zum Arbeiter-Kampf-Tag im Zentrum der Sowjetunion diese überraschende Erinnerung, dass es eine ganz andere, viel wichtigere Macht gibt, die Macht des Auferweckten – so zu einer Zeit, als Leonid Iljitsch Breschnew unhinterfragter Chef der KPdSU, der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war.
Um die Wahrheit dieser Macht des Auferweckten, um die Vergewisserung, dass er den Tod überwunden hat, geht es heute. Ich lese einige Verse unseres Evangeliums:
V. 4c: „… aber die Jünger wussten nicht,
dass es Jesus war.“
V. 7a: „Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus:
»Es ist der Herr!«.
Oder, wie ein antiker Abschreiber geschrieben hatte:
»Es ist unser Herr!«“
V. 12b+c: „Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen:
»Wer bist du?«
Denn sie wussten: Es ist der Herr.“
Das ist der Sinn des heutigen Sonntags: Dass wir uns der Wahrheit dieser Überzeugung öffnen: So wahr das Osterfest ist, so wahr ist es, dass wir immer wieder die Gegenwart des Christus erfahren, erleben werden. Ganz geheimnisvoll, aber: wirklich. Suchen wir nach Zeichen für seine Nähe, für seine Gegenwart!
Ich denke an diejenigen, die in unserer Zeit und Situation der Pandemie versuchen, Zeichen der Aufmerksamkeit für andere zu geben. Die wenigstens unter Wahrung der Abstandsregeln allein Lebende und Einsame besuchen, und mit ihnen einige Worte wechseln, ihnen ein Zeichen dafür zu geben, dass sie nicht vergessen sind.
Ich denke an diejenigen, die beim Einkaufen helfen und anderen ganz Alltägliches mitbringen. Diese wissen dadurch: Es sorgen sich andere für mich. Sie helfen mir bei Notwendigem für jeden Tag.
Ich denke an diejenigen, die anderen bei Alltäglichem helfen. Eine alte Bekannte von mir braucht beim Anziehen und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe jeden Morgen und jeden Abend Hilfe. Natürlich macht das eine Schwester. Aber auch ihre täglichen Besuche sind doch Zeichen der Fürsorge anderer für einen!
Ich denke an diejenigen, die nach Wegen suchen, mit Kindern etwas zu unternehmen, die Stunden in der Schule sinnvoll zu nutzen – auch mit kleineren Gruppen, auch bei Unterbrechungen. Wer hätte je gedacht, dass die Möglichkeit, die Schule zu besuchen und wenigstens einen Teil der eigenen Klasse wiederzusehen, als so etwas Besonderes begrüßt wird?!
Ich denke an diejenigen, die die Nöte und Unsicherheiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen wahrnehmen. Wie kann man Menschen helfen, denen der normale Kontakt mit Gleichaltrigen fehlt, die bei der Ausbildung in Schule und Universität immer nur auf digitale „Räume“ gebunden sind, die zurzeit regelrecht ausgebremst werden? Wie wichtig sind da solche, die sie voller Phantasie aus der Vereinsamung und aus dem Stillstand herausholen!
Wären das alles nicht Hilfen, unter denen man Christus am Werk sehen kann?
Unsere Erzählung aus dem Evangelium ist doch ganz merkwürdig! Die Jünger werfen das Netz auf Grund des Rates Christi aus:
V. 6b-c: „Da warfen sie es aus
und konnten’s nicht mehr ziehen
wegen der Menge der Fische.“
V. 9: „Als sie nun an Land stiegen,
sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden
und Fisch darauf und Brot.“
Die von ihnen gefangenen Fische sind noch nötig. Aber sie sind Zukost. Grundlegend ist das Frühstück schon vorbereitet. So ist das, wenn Christus im Spiele ist:
Was wir leisten können, trifft immer auf von anderen schon Vorbereitetes. Da merken wir, dass unser Herr da ist. An solche Erfahrungen sollen wir uns erinnern!
Wenn wir für Christus, für die Kirche, für den Glauben etwas zu tun versuchen, werden wir entdecken, dass alle unsere Arbeit Ergänzung ist, aufbaut auf schon unabhängig von uns Geleistetem! Lassen wir uns auf dieses Wunder aufmerksam machen. Dann werden wir die Wahrheit unserer biblischen Geschichte erfahren.
Deshalb wollen wir jetzt das Lied hören und mitlesen, welches ich über viele Jahre in der Textgestalt des Jenaer Graphikers Harry Franke bei mir zu Hause an einer Wand hängen gehabt habe, ein Lied, das in dieser künstlerischen Gestaltung noch als ein Text von Franz von Assisi bezeichnet war. Lesen wir mit Sorgfalt mit:
„… nicht, dass ich getröstet werden, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer da hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer da stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.“
Amen
„Und der Friede Gottes,
der höher ist als unsere Vernunft,
bewahre Eure Herzen und Sinne bei Christus Jesus, unserem Herrn!“
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