Predigt Epheser 5, 1-8
am Sonntag Oculi, 12. März 2023, Johanneskirche Alterlangen
1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. 6 Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.
Liebe Gemeinde!
I.
Solche Worte sind unter uns umstritten.
Die einen lieben sie, weil sie deutlich sind.
Andere schüttelt es dabei, weil da Moral gepredigt wird, ja sogar Erben und Enterbte des Reiches Gottes bestimmt werden.
Wie dem auch sei – allein die Sprache ist schon recht gedrechselt: „Gott diene es zu einem lieblichen Geruch“; da ist von Unzucht die Rede, vom Unreinen, von Heiligen, von Kindern des Ungehorsams und von Kindern des Lichts.
Es klingt nach Schwarz-weiß-Malerei.
Interessant ist, dass die neue Ordnung für die Predigttexte in unserer Kirche, die es seit ein paar Jahren gibt, genau diese anstößigen Verse einklammert - d.h. man kann sie auch weglassen.
Der Text wird dadurch klarer, aber auch unanschaulicher, weniger farbig und anstößig.
Es mag verlockend sein, gerade die anstößige Konkretheit dessen, was da ausgelassen wird, für uns zu nutzen.
II.
Moralpredigten haben wir inzwischen institutionalisiert. Merkwürdig: Seit sie ihren festen Platz im Kabarett oder z.B. beim Derblecken auf dem Nockherberg haben, lieben wir sie geradezu.
Am vergangenen 3. März war es wieder so weit:
Starkbieranstich in München auf dem Nockherberg. Ohne Zweifel haben alle diese Sendungen einen religiösen und auch liturgischen Touch.
War es vor Jahren der Bußprediger Bruder Barnabas, der den versammelten Größen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Kirche die Leviten las – so war es in diesem Jahr der Kabarettist Maximilian Schafroth.
In der Zeit davor gab es jahrelang die Bavaria Luise Kinseher: Wie sie das machte, das ist nicht weit weg von unseren Zeilen aus dem Epheserbrief: Sie sagte ihren „Landes-Kindern“, wo es lang geht! Und da lassen sich alle plötzlich auch sagen, dass es Kinder des Ungehorsams und Kinder des Lichts gibt ... Also: Sehen wir dem Anstößigen ins Auge.
III.
3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört.
Interessant und hilfreich ist es zu sehen, dass hier Habgier und fehlgeleitete Sexualität zusammen genommen werden. „Unzucht, Unreinheit, Habsucht“ - das liegt auf derselben Ebene. Nein, da ist keine Prüderie gemeint, nicht der endlich erreichte unbefangenere Umgang mit der Sexualität, gerade auch in den Kirchen, wird infrage gestellt.
Kritisiert wird, auf Kosten anderer zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu kommen.
Der Theologe und Psychotherapeut Joachim Scharfenberg sagt: „Wir sollen uns ablösen von einem Lebensstil, der den Menschen aufreibt im Taumel von Begierde und Konsum. Es war ein schwerwiegender Irrtum, die Befriedigung von Bedürfnissen als eine der Grundlagen unserer Gesellschaft zu machen. Denn sie führt in eine heillose Spirale von Wünschen hinein, die nur durch Übergriffe auf andere noch zu erfüllen sind.“
Die Missbrauchsfälle nicht nur in unserer katholischen Schwesterkirche haben Kirche an sich seit über 10 Jahren in eine tiefe Krise geführt. Die schwierige Zeit von Corona hat gezeigt, dass psychischer und körperlicher Missbrauch auch vielfach in unseren so gepflegten Familien stattfindet. "Übergriffe auf andere" - scheinbar weiter verbreitet in scheinbar heiligen Institutionen wie der Kirche und der Familie. Und wir wissen: Weitere Institutionen, Sportvereine und Jugendorganisationen werden folgen ... "Übergriffe auf andere" - weil ich die Macht habe, "über" einen anderen, eine andere für meine Wünsche zu "greifen", ohne sein / ihr Selbstbestimmungsrecht zu achten.
Anders klingt es besser: „Handle so, dass niemals die Würde deines Partners, deiner Partnerin verletzt wird! Der Mensch ist Mensch und nicht deine Beute.“
Der Philosoph Jürgen Habermas registriert ein ringsum verkümmerndes Bewusstsein dafür, dass es Spielregeln gibt, die sinnvoll sind zu beachten, weil sie nicht nur andere, sondern auch mich treffen. Bereits bei vielen Jugendlichen ist das zu beobachten; Spielregeln mache ich allenfalls selbst.
Das Projekt der Moderne, so Habermas, - die vernünftige Selbstbestimmung - wird so gefährdet.
Übergriffig leben – wir erschrecken darüber, was da passiert: Vor Jahren in Köln an Silvester, familiäre Katastrophen, und letztlich sind alle politischen Unfreiheiten Übergriffe auf andere, die Situation in der Ukraine in so großem Stil, wie wir es uns nicht hätten vorstellen mögen, jetzt wieder in Nicaragua...
Die Ausbeutung vieler Kinder und Abhängiger durch moderne Sklavenarbeit...
Die Unterdrückung der tapferen Frauen im Iran - ich habe kürzlich an einem Zoom-Meeting mit Iranerinnen teilgenommen. Im Grundgesetz des Iran ist die Frau genau die Hälfte des Mannes wert. Staatlich sanktionierte Übergrifflichkeit!
Und Habgier, übergriffiges Leben ist auch unter uns fast normal: Nicht nur in vielen Missbrauchsfällen.
Jede Verkehrsbehinderung, jedes "Über-den-Tisch-Ziehen", jedes Durchsetzen eigener Interessen ohne Rücksicht auf andere, jedes Mobbing, jedes dumme abwertende Anreden - ist übergriffiges Leben. Und sogar die Schnäppchenjagd, weil damit Kinderarbeit und Abhängigkeit in anderen Ländern gefördert wird.
Am Streit ums Erbe zerbrechen Familien; kleinlich wird oft im Vorfeld des Todes eines lieben Menschen um Gegenstände gefeilscht - es ist, wie wenn bei Menschen, von denen wir es nicht erwarten, Sicherungen durchbrennen.
Aber gibt es sie wirklich, die Sicherungen?
Haben und Sein zu verwechseln, „davon soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört.“ "Die Heiligen" - Bemerkenswert Mutter Teresa:
„Heiligkeit ist kein Luxus für wenige: Sie ist nicht für einige Menschen da. Sie ist gedacht für dich und für mich, für jeden von uns. Das ist eine einfache Aufgabe, denn wenn wir lernen zu lieben, lernen wir, heilig zu werden.“
Welcher Gedanke! "Wenn wir lernen zu lieben, lernen wir, heilig zu werden."
IV.
Aber bleiben wir beim Reden und Denken:
„Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.“
Mit Recht sagt man: Worüber du sprichst, das hatte dich schon in deinen Gedanken besetzt. Wie sagen wir so locker zu einem Jugendlichen, wenn wir etwas bei ihm verhindern wollen: „Denk nicht mal dran...“
Jesus hat gesagt: „Nicht das macht einen Menschen unrein, was in ihn hinein kommt, sondern das, was aus ihm heraus kommt.“ (Matthäus 15,11)
Also: unrein macht sich der Mensch selbst, durch sein Geschwätz, durch die Inflation der Worte, die nicht mehr wissen, was sie anrichten.
Das lateinische Sprichwort sagt: „Semper aliquid haeret“ - wir kennen es im Deutschen auch: „Es bleibt immer etwas hängen.“ Die Macht der Worte - sind sie einmal gesagt, können sie eigentlich nicht zurück genommen werden. Sie haben sich ihren Weg durch das empfindlichste menschliche Organ ins Innere gebahnt, durch das Ohr.
So, wie der Glaube aus dem Hören kommt (Römer 10,17), wie es Paulus schreibt, so gelangen auch leere, geschwätzige Reden über andere Menschen in unser Innerstes. Durch das Internet sind neue Spielarten dazu gekommen: Es geht ganz schnell und ist kaum wieder gut zu machen, wenn man über jemanden Gerüchte, Urteile, Informationen, ja gerade auch Falsches (Fake-News) ausstreut. In den USA, wahrscheinlich auch in Ungarn konnte man Wahlen durch Fake-News gewinnen!
Klatsch und Tratsch können harmlos sein, aber oft erleben wir auch, wie sehr eine scheinbare Kleinigkeit einen anderen Menschen treffen und das Klima vergiften kann. Besonders in einer Kirchengemeinde sollte gelten: „Sage nie etwas über jemanden anderen, das du nicht dann auch sagen könntest, wenn er dabei ist.“
Der sorgsame Umgang mit den Worten steht gerade uns Christinnen und Christen gut an, leben wir doch, wie Jesus es gesagt hat, von dem „Wort, das aus dem Mund Gottes kommt“. (Matthäus 4,4)
Leeres Geschwätz ist oft einfach Gedankenlosigkeit; manche Menschen plappern aus Einsamkeit vor sich hin und hören nicht mehr auf, wenn sie denn mal eine Adresse gefunden haben.
Gut, wenn es etwa eine Pfarrerin, ein Pfarrer ist - manchmal hilft auch einfach eine Wand, der man hinschleudert, was alles an Unschönem und Verletzendem in uns sich aufgetürmt hat. Das muss ja auch raus kommen, bevor es sich in uns tief einnistet. Gut, wenn auch solche Worte ein Ohr einer vertrauten Person findet, die alles in ihr Schweigen nimmt.
Danksagung heißt die Alternative. Wörtlich: „Eucharistia“, Eucharistie. Dank ist nicht Rede über andere, sondern Rede an jemanden, an Gott. Statt leeren und herabwürdigenden Geschwätzes leihen wir uns die großen Worte des Dankes an Gott, die sich seit langem in der Liturgie, vor allem im Abendmahl verdichten. Nicht über Menschen reden, sondern ihre Namen vor Gott aufrufen - das bewahrt vor entwürdigender Rede. Einen Menschen, mit dem ich vielleicht ein Problem habe, so loszulassen und Gott anzuvertrauen, hat schon viele Knoten gelöst.
V.
Ganz am Anfang und am Ende, wie eine Klammer
des Abschnitts, hören wir die in sich zusammen gehörigen Sätze:
1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe.
Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.
„Lebt in der Liebe“. Luise Kinseher hat vor Jahren als Mama Bavaria auf dem Nockherberg die richtige Tonlage getroffen, als sie zum Thema Flüchtlinge sagte: „Es ist schwer eine Obergrenze für Menschen zu finden, wenn das Leid keine Grenze hat.“ „Ich erwarte als eure 'Mutter', die ich euch auch die Mitmenschlichkeit und die Liebe mitgegeben habe, dass ihr’s nicht verlernt, auf das Schicksal jedes einzelnen Menschen zu blicken, damit er nicht in eurem unbarmherzigen Wald aus Polemik und Statistik zugrunde geht.“
Da war für ein paar Momente echte Betroffenheit zu spüren gewesen. Und das hat Gültigkeit auch jetzt nach 7 Jahren! - „Lebt in der Liebe“
VI.
„Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.“
So sprachen die ersten Christen von ihrer Taufe. Das, was dabei geschah, bedeutete für sie einen radikalen Wandel, wie aus der Finsternis ins Licht. Wer damals zur Taufe kam, legte seine alten Kleider ab, seine frühere Identität, das, was ihn bisher bestimmt hat, seinen „alten, früheren Menschen.“ Und er wurde dem Wasser, dem Element von lebenserhaltender und lebensbedrohender Intensität ausgesetzt. Untergetaucht raubt es uns den Atem, auftauchend gewinnen wir die Lebenskraft einer neuen Existenz.
Streng genommen hat in Jesus Christus bereits die Taufe der ganzen Welt begonnen, so hat es der 2021 verstorbene bedeutende Theloge Eberhard Jüngel gesat. Das Evangelium ist so kühn, so sagt er, dass das Licht schon für alle da ist - es ist, wie wenn wir den Lichtschalter in einem Zimmer betätigen, das Licht fällt auf alle, nicht nur auf einige Auserwählte. „Bricht der Tag an, dann für alle, nicht nur für einige." Und Paulus zitiert
den Propheten Jesaja (65,1f.), und da erkennen wir, welch großen Gott wir haben, hinter dem wir mit unserem armseligen Aufrechnen so weit zurückbleiben: Jahwe erklärt dort: "Ich war zugänglich für die, die nicht nach mir fragten; ich ließ mich finden von denen, die mich nicht suchten; zu einem Volk, das meinen Namen nicht anrief, sprach ich: da bin ich, da bin ich!" In Jesus Christus spricht Gott so zu allen Völkern, zur ganzen Welt, also auch zu den sogenannten "Kindern der Finsternis": da bin ich, ich bin da. Das Licht des Lebens ist da, es ist für alle da. Es ist also nicht so, dass unsere Tätigkeit als Kirche das Licht des Lebens allererst erzeugt. Wir haben nur eben auf das schon scheinende Licht hinzuweisen, es anzuzeigen.
"Lebt in der Liebe" - in Respekt vor jedem Menschen.
VII.
Noch einmal:
1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer.
„Erziehung zwecklos. Die Kinder machen uns alles nach.“ Diese Postkarte ziert die Türe eines evangelischen Kindergartens. Mit Humor erinnert sie daran, dass Ermahnungen und Regeln ohne Vorbilder nichts nützen.
"Folgt nun Gottes Beispiel" - „Seid Nachahmer Gottes“ - heißt es genau, einmalig in der gesamten Bibel. Macht es einfach wie die kleinen Kinder ihren Eltern gegenüber. Werdet so ihnen gleich.
Wie können wir Gott gleich werden? Es Gott gleich tun darin, wie er uns liebt und in Jesus Mensch wurde. Und werden wie Jesus können wir, weil er einer von uns wurde. - darin "Gabe und Opfer".
Jesus hat gesagt: „Was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut ihnen auch.“ (Matthäus 7)
Wie sähe die Welt aus, wenn wir so handelten und dächten?
Ich gehe gerne bei Kabarettisten in die Schule, die bei aller kritischen Haltung oft dem Evangelium sehr nahe kommen. Meine Tochter hat mir zum Geburtstag einen Besuch bei dem Kabarettisten Erwin Pelzig geschenkt, vor zwei Wochen waren wir bei ihm in München. Nach einem Zweieinhalbstundenprogramm, in dem er kritisch beleuchtet hat, was nur ging, einschließlich aller rücksichtslosen Mitbürger und Dummen, einschließlich Trump und Putin, Querdenker, Reichsbürger, AfD-ler ..., wurde auch er religiös: "Könnte es nicht sein", sagte er, "dass wir so viel mehr bewegen würden, wenn wir endlich einmal mehr vom Bauchgefühl her denken, uns dann zum Herzen weiter bewegen und einfach zu unseren Mitmenschen, wer sie auch sein mögen, nur 'freundlich', menschenfreundlich wären?!"
"Seid Nachahmer Gottes" - "Lebt in der Liebe." "Macht es wie Gott, werdet Mensch".
Und der Friede Gottes , der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
© Pfarrer Christoph Reinhold Morath
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