Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Wir beten in der Stille um den Segen des Wortes:
Herr, segne Reden und Hören! Amen.
Liebe Gemeinde!
A Prachtvoll
I Die Buchen im Frühjahr
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Land sind seiner Ehre voll!
Ach, wie schön, wenn es klappt, im Frühjahr den Buchen zuzuschauen! Wie sie aus den kahlen Ästen ihre Blätter herausschieben. Behutsam entfalten sie sich. Ein Blatt alleine ist so hellgrün, durchscheinend, zart. Oft liegt ein zweites Blatt im ersten drin. Übereinandergelegt ist das junge Grün schon etwas dunkler.
Im ganzen Buchenwald leuchten die neuen Blätter. Kostbarer als Edelsteine.
Zwei Wochen später sind aus den ersten Blätter ganze Triebe geworden, biegsam und frisch im starken Grün. Der Blick an den Bäumen nach oben zeigt eine grüne Kathedrale.
II Die Schlüsselblumen
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Land sind seiner Ehre voll!
Dieses Jahr blühten in der Rhön Mengen von Schlüsselblumen. Auf Wiesen, an Rangern, an Wegesrändern leuchtete das zarte Gelb. Das genaue Hinschauen wird belohnt: Jedes der fünf kleinen kunstvoll gerundeten Blütenblätter trägt einen orangeroten Pinselstrich. Die kleinen Schlüsselbunde duften zart. Himmelsschlüssel heißen sie mit Recht, sie schließen den Himmel auf.
III Die Hand
Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Land sind seiner Ehre voll!
Letzen Sonntag: Ich sehe die Mutter mit dem Kind auf dem Arm von hinten. Die Kinderhand liegt locker auf dem Rücken der Mutter. Eine kleine, proppere Hand ist es. Die Gelenke werden noch durch die Speckgrübchen angezeigt. Sachte bewegen sich die Finger.
B Unser Predigttext Von der Pracht zur Verstörung
I Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Land sind seiner Ehre voll!
Die „Ehre“ Gottes, „Herrlichkeit“ kann man auch übersetzen, diese Ehre ist nichts Zusätzliches, das das irgendwie in der Luft herumschwirrt. Nein, diese Ehre, diese Herrlichkeit Gottes, die ist zu sehen in all der Schönheit unserer Welt. Das, was uns staunen lässt und das Herz erfreut. Die Glucke mit ihren Kleinen, der Weizen, der voller Kraft wächst, die Störche – all das zusammen macht Gottes Ehre, Gottes Herrlichkeit aus. Und wenn Sie alles andere heute vergessen: Schauen Sie sich um auf ihren Wegen und entdecken Sie Gottes Herrlichkeit. Deshalb hat der liebe Kollege Dr. Stahl, von dem unsere Übersetzung des Predigttextes stammt auch sehr treffend übersetzt: „Die Fülle der ganzen Erde ist seine Herrlichkeit.“
II Die Beschädigung der Herrlichkeit
So, jetzt kommt nach dem Prachtvollen das Verstörende.
Der plattgefahrene Igel am Straßenrand beschädigt Gottes Herrlichkeit. Die Korallen, die ihre Farben verlieren, weil das Wasser zu warm wird, beschädigen Gottes Herrlichkeit. So eine Liste können wir alle hier unendlich lang werden lassen, keine Frage und werden von den konkreten Einzelbeispielen landen bei einer unbewohnbaren Welt - „wüst“ wird es sein.
Unser Predigttext enthält wirklich beides. Die Pracht – und das Verstörende.
III Der Predigttext
Also, hören wir, ich lese Jesaja 6 in der sehr genauen Übersetzung von Dr. Stahl:
1Im Todesjahr des Königs Usija [= „Meine Stärke ist JHWH / der Herr“] (1) sah ich den Herrn (2) auf einem hohen Thron sitzen, und seine Gewandsäume (3) füllten den Tempel. 2Seraphen standen über ihm, sechs Flügel, sechs Flügel (4) hatte jeder. Mit zweien bedeckte er sein Gesicht, mit zweien bedeckte er seine Füße (5) und mit zweien flog er. 3Und einer rief zum anderen: »Heilig, heilig, heilig ist JHWH Zebaoth / der Herr Zebaoth.
Die Fülle der ganzen Erde ist seine Herrlichkeit.« (6)
4Und es schwankten die Zapfen der Schwellen von der Stimme des Rufers, und das Haus / der Tempel war voll Rauch.
5Da sagte ich: „Weh mir, denn ich werde vernichtet;
denn ein Mensch von unreinen Lippen bin ich,
und inmitten eines Volkes von unreinen Lippen lebe ich;
denn den König (7), JHWH Zebaoth / den Herrn Zebaoth, haben meine Augen gesehen!“
6Und es flog zu mir einer der Seraphen, und in seiner Hand war ein Glühstein – mit einer Zange genommen vom Altar. 7Und er berührte meinen Mund und sprach:
„Siehe, dieser hat deine Lippen berührt,
und gewichen ist deine Schuld, und deine Sünde ist gesühnt“.
8Und ich hörte die Stimme des Herrn (8), der sagte:
»Wen soll ich schicken, und wer geht für uns?«
Da antwortete ich: »Hier bin ich, schicke mich!«
9Und er sagte: »Geh und rede zu diesem Volk!
Sie sollen hören und nicht verstehen;
sie sollen sehen und nichts erkennen.
10Mache fühllos das Herz dieses Volkes
und seine Ohren schwer und seine Augen verklebt,
dass es nicht sieht mit seinen Augen
und mit seinen Ohren nicht hört
und mit (9) seinem Herzen nicht versteht,
dass es umkehre und es geheilt werde. (10)«
11Ich fragte: »Bis wann, Herr?«
Und er antwortete: »Bis verwüstet sind die Städte, ohne Bewohner,
und die Häuser ohne Menschen,
und das Land als Öde geblieben ist.
12Und JHWH / der Herr die Menschen weit entfernt hat,
und groß geworden ist die Verlassenheit inmitten des Landes.
13Und wenn noch ein Zehntel in ihr ist, soll es wiederum zur Wüste werden,
wie die Eiche und die Terebinthe, von denen beim Fällen ein Wurzelstock bleibt.
Ein heiliger Same ist sein Wurzelstock.«“
C Verstörung // Vermissen // Zu Grunde gehen
Jesaja nimmt uns mit sich. Lässt uns schauen. Die Herrlichkeit Gottes in der Fülle der Erde. Und lässt uns seinen Auftrag hören – das ist verstörend.
„Sie sollen hören und nichts verstehen, sie sollen sehen und nichts erkennen; sie sollen ein fühlloses Herz kriegen – Luther übersetzt drastisch „ein verfettetes Herz“ und Ohren, die nichts hören und Augen, die nichts sehen.
Manchmal denke ich, die Leute, die den Klimawandel verstanden haben und möchten, dass etwas geschieht und zwar so schnell wie es nötig ist, diese Leute können sich hier an Jesajas Seite finden. Der Finne Petteri Taalas, Generalsekretär der Weltorganisation für Meteorologie, erklärte schon 2018: „dass wir die erste Generation sind, die den Klimawandel vollauf versteht, und die letzte Generation, die in der Lage ist, etwas dagegen zu tun“
Voller Verzweiflung kleben sich manchen von denen, die die Not erkennen, auf die Straße. Sie wollen bewirken, dass nun endlich, endlich, etwas unternommen wird, üben dabei, freundlich und ruhig zu sprechen. Und dann wird nur über sie hergezogen, ihr Anliegen kaum aufgenommen. Sie erreichen die Herzen nicht, die Ohren sind verschlossen, ihr Anliegen wird nicht gesehen.
Wie mutig ist Jesajas Frage: „Bis wann, Herr?“ „Herr, wie lange?“ Die Antwort ernüchternd „bis die Städte verwüstet sind und das Land öde daliegt.“
D Widerstehen
Ist das alles? Nein, Gott sei Dank nicht. Nach aller Verwüstung steht noch ein Wurzelstock, ein heiliger Same, ein Baumstumpf, der wieder ausschlagen wird.
Das ist der Hinweis heute aus unserem Predigttext selbst.
Der andere Hinweis kommt aus dem Ganzen unseres Glaubens: Dass Gott durch sein Wort die Welt geschaffen hat – dass das Wort Fleisch wurde und unter uns wohnte – dass Gottes Geist Verstehen des Wortes wirkt unter uns Menschen.
Wir wissen von Jesaja selbst vom Zweig, der aus der Wurzel treibt, wir kennen diesen Zweig, singen ja von der Rose, die gewachsen ist „Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart...“
Wir haben von Paulus gehört, den Abschluss der Kapitel des Römerbriefes, in denen er intensiv nachdenkt, warum Jesus Christus unter seinen eigenen Leuten so wenig Widerhall findet.
Viele von Ihnen haben Erfahrungen im Leben gemacht mit Verwüstung. Und dass es dann doch irgendwie weiterging und auch wieder gute Zeiten kamen. Mit einer Kraft, die nur vom Heiligen Geist kommen kann, Schweres, Schwerstes durchgestanden.
In diesem Gesamtzusammenhang des drei-einigen Wirkens Gottes weitet sich der Blick, das fremde Wort behält einen Platz. Und doch, Gottes Wirken reicht weiter. Ein heiliger Same wird so ein Stumpf sein.
In diesem weiteren Wirken Gottes können wir unsere Aufgaben erkennen und angehen. Die Pracht Gottes bewundern und uns daran erfreuen. Die Gefährdung der Herrlichkeit Gottes erkennen und uns kümmern, gemeinsam Wege suchen, was wir tun können. Und uns mit dem, was wir tun können und mit all unseren Grenzen Gott hingeben. Der uns entsündigt. Und uns sendet.
Uns an den Buchen und der Pracht Gottes erfreuen.
Uns von den Himmelsschlüsseln erinnern lassen, dass uns der Himmel aufgeschlossen ist durch Jesus Christus.
In dem Kind erkennen, dass Gott immer wieder neu mit uns anfängt.
Hier bin ich, sende mich!
Amen.
Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
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