Gottesdienst am 17.7.2022
Name des Sonntags: 5. Sonntag nach Trinitatis
Predigttext: 1. Mose 12, 1-4a
I.
Liebe Gemeinde!
„Was willst du im Leben einmal erreichen?“ Diese Frage wird jungen Menschen oft gestellt, wenn sie in den Beruf eintreten. Es ist eine der großen Lebensfragen. „Nun, was will ich denn eigentlich erreichen? Heiraten, ein Haus bauen, Kinder kriegen, ein schnelles Auto fahren, einmal um die Welt reisen – und der Pool im eigenen Garten darf natürlich auch nicht fehlen.“ Junge Menschen haben viele Lebensziele.
Je älter wir Menschen werden, desto bodenständiger werden unsere gesteckten Ziele. Mit meinen Enkeln vor dem Kamin sitzen und in Märchenbüchern lesen. Im Garten sitzen und den Enkeln und Urenkeln beim Spielen zusehen. Oder: Viele gesunde Tage ohne Schmerzen erleben. Da ist dann oft keine Rede mehr von Weltreisen oder großen Hausbauprojekten. Die Abenteuerlust hat spürbar abgenommen. Man hat sich eingerichtet, das Haus ist gebaut, die Kinder sind groß. Der Großteil des Lebens ist gelebt.
Ein letzter großer Wechsel, die Frage, gehe ich ins Altersheim mit den Lasten des Alters. Wieder ist dies ein großer Schritt. Von einem großen Teil seines liebgewordenen Besitzes muß man sich trennen: Möbel, Bücher, Dokumente, Erinnerungsstücke.
Nicht nur unserer Generation geht das so. Schon die Urväter in der Bibel haben sich Lebensziele gesteckt und sie mit viel Eigeninitiative und im Schweiße ihres Angesichts erreicht.
Abraham war einer von ihnen. Er hatte Haus und Hof, Viehherden und eine Heimat bei seiner Verwandtschaft. Er hatte seine Frau Sara und viele Knechte und Mägde, die ihnen bei ihren täglichen Arbeiten halfen. Abraham und Sara waren wohlhabend. Sie hatten alles. Außer – einem Kind.
Lange hatten Abraham und Sara gehofft, dass es auch noch Nachkommen geben würde. Sie hätten ihr Lebensglück perfekt gemacht. Dann wären alle Lebensziele erreicht gewesen. Aber dieser Wunsch blieb ihnen bis ins hohe Alter verwehrt.
Trotz des unerfüllten Kinderwunsches hatten sie sich eingerichtet in Haran und in ihrem Leben. Sie hatten Wurzeln geschlagen und waren sesshaft geworden. „Alles gut so, wie es ist,“ dachte Abram.
Aber dann, mitten in seinem ruhigen Alltag hörte er Gottes Stimme:
Und der HERR sprach zu Abram:
„Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden.“ Da zog Abraham aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abram aber war fünfundsiebzig Jahre alt, als er aus Haran zog.
II.
Was für eine Aufforderung! Da soll Abraham mit seinen 75 Jahren alles, was er sich mühsam aufgebaut hat, zurücklassen und einfach gehen? Sein Haus, seinen Hof, seine Verwandtschaft? Wie lange hatte er daran gearbeitet, im Alter ohne große Sorgen leben zu können, sich und seiner Frau Sara eine Heimat in Haran geschaffen, Knechte und Mägde angestellt, die sich um die Tiere kümmerten…
Aufbruch statt Lehnstuhl. Umbruch statt Alltag. Neues statt Gewohntes. Gott schickt Abraham los. Mit wenig Gepäck, dafür aber mit viel Ungewissem. Wohin Abram gehen soll, weiß er nicht. Wie lange er unterwegs sein wird, auch nicht. Ob er je wiederkommen und seine Verwandtschaft sehen wird, weiß er erst recht nicht.
Nur eines verrät ihm Gott: Abraham ist gesegnet. Er, der schon 75 Jahre alt ist – und seine Frau Sara ist vermutlich nicht viel jünger – soll eine große Nachkommenschaft haben. Er soll Vater eines großen Volkes werden und schließlich sollen alle Geschlechter der Erde durch ihn gesegnet sein.
Das klingt unglaublich! Im wahrsten Sinn des Wortes. Später in der Geschichte lesen wir, dass Sara es nicht glauben konnte, dass sie noch schwanger wird. Stattdessen hat sie leise gelacht. Noch so eine unglaubliche Verheißung.
Ob Abraham solche Gedanken hatte, ist uns nicht überliefert. Er hinterfragt Gottes Verheißung nicht. Er packt seine sieben Sachen zusammen und zieht mit Sara und Lot aus Haran in das Land, das der HERR ihm zeigen wird. Abraham hat das, was ihm wichtig ist dabei, und Gottes Verheißung.
Abraham hat Vertrauen in Gottes Wort. Er spürt: Der Aufbruch ist groß, aber er ist gebettet in Gottes Segen. Bestimmt war es für Abraham nicht leicht, alles zurückzulassen und mit 75 Jahren noch einmal ein ganz neues Leben anzufangen.
Aber: Er weiß Gott hinter sich. Er spürt Gottes Segen. Und er vertraut darauf, dass er diesen unglaublichen Neuanfang nicht allein wagen muss. Sein Glaube hilft ihm, das radikal Neue in seinem Leben ohne Sorgen und Ängste anzugehen. Sein Herz hört auf Gott und der verheißt ihm: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!
III.
Abraham – unser aller Urvater - wagt einen totalen Neuanfang. Ohne über die Umstände Bescheid zu wissen. Dafür aber in seinem Glauben verwurzelt, der ihn trägt. Egal durch welche Lebensphasen.
Auch wir durchleben immer wieder Aufbrüche. Manche sind freiwillig, manche eher nicht.
Allein die verschiedenen Lebensphasen sind Aufbrüche. Aus dem Gewohnten, in dem wir es uns gemütlich gemacht haben, heraus in neue Abenteuer. Da ist die Zeit des Studierens. Die Schule ist vorbei, mit den Eltern zuhause gab es in allen Unstimmigkeiten doch verlässliche Ansprechpartner und Geldgeber. Irgendwann aber ist die Schulzeit zu Ende. Und dann? Studium oder Ausbildung? Wohin soll ich gehen? Wie kann ich das finanzieren? Was wird mich dort erwarten? Ein großer Umbruch in ungewohnte Fahrwasser.
Ich denke da an das frisch verheiratete Paar. Gut eingelebt in der Mietswohnung, so nach und nach hat man sich eingerichtet. 2-3 Zimmer reichen vollkommen aus für eine eigene Burg.
Und dann kommt die wunderbare Nachricht: Nachwuchs kündigt sich an. Eine freudige Botschaft für alle Beteiligten! Eltern und Großeltern, Geschwister und Verwandtschaft freuen sich auf das neue Leben! Gleichzeitig aber kommen die Fragen: Wie wird der Alltag zu dritt? Wer geht in Elternzeit, wer arbeitet weiter? Reicht uns der Platz in der Wohnung oder müssen wir raus? Wollten wir nicht eh noch ein Haus bauen?
Ich denke an die Kollegen und Kolleginnen in den letzten Monaten und Wochen ihres Arbeitslebens. Wie soll das gehen ohne den gewohnten Tagesrhythmus, ohne das Treffen mit den Kollegen, ohne die Aufgaben, die so wichtig waren, daß sie schlaflose Nächte verursacht haben. 8 Stunden oder mehr sind neu zu füllen.
Ich denke aber auch an unfreiwillige Umbrüche. An vermeintliche Kontrolltermine bei Ärzten, die dann eine ungeahnte Wendung nehmen. Von einem Moment auf den anderen ist das Leben aus den Fugen geraten, wenn schlimme Diagnosen im Raum stehen. Nichts ist mehr, wie es vorher war. Einst gesteckte Ziele scheinen plötzlich unerreichbar. Der Aufbruch birgt Unsicherheit und letztlich die bange Frage: Wohin geht der Weg?
So gäbe es noch unzählige Lebensaufbrüche mehr, die hier genannt sein könnten. Allen gemeinsam ist: Das Ziel ist unbekannt. Der Weg dahin mitunter beschwerlich.
IV.
Was es in solchen großen Umbrüchen und Aufbrüchen des Lebens in jedem Fall braucht, lernen wir in der Abrahams Geschichte: Vertrauen!
Es braucht Mut, den Schritt ins Unbekannte zu gehen. Und es braucht Vertrauen, dass es einen Weg gibt. Vertrauen, dass der Weg nicht allein beschritten werden muss.
Abraham hatte Vertrauen in Gott. Er beschwerte sich nicht bei Gott, dass alles gerade so gut war und er doch schon alt. Er spürte: Gott führt mich durchs Leben und er meint es gut mit mir.
Mit dieser Gewissheit im Herzen konnte Abraham auch im hohen Alter noch Neues wagen. Natürlich gab es auch bei Abrahams Zug in das neue Land einige Schwierigkeiten. Denken wir nur an den Zwist mit Lot. Aber er hat erfahren: Egal wo ich bin und wohin ich gehe, Gottes Verheißungen sind keine leeren Versprechungen. Gottes Verheißungen tragen. Abraham war nie allein und nie ohne Ziel unterwegs. Gott hatte einen Plan für Abraham.
So war es damals, und so ist es auch heute noch. In Abrahams Geschichte entdecken wir Gottes Begleitung! Auch unsere Aufbrüche sind nie ohne Sorgen und Ängste. Auch unsere Umbrüche im Leben bedeuten immer wieder: neu anfangen, sich neu ausrichten und erstmal ins Ungewisse blicken. Das Vertrauen in Gottes Begleitung aber gibt die Kraft, dem Ungewissen zu begegnen.
Aber, halt, können wir die unglaubliche Geschichte von Abraham so einfach auf unsere kleinen Verhältnisse übertragen? Ist da nicht ein riesiger Unterschied zwischen der Verheißung, ihn zu einem großen Volk zu machen und in ihm alle Geschlechter der Erde zu segnen und unseren persönlichen Wegen? Ich denke, wir können das, denn Jesus hat das Versprechen wiederholt in seiner Zusage: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Mt. 28,20).
Gottes Verheißung und sein Segen sind aktuell. Alle Geschlechter auf Erden sollen gesegnet sein, hat Gott Abraham verheißen. Damit sind auch wir gemeint.
Auf diese Zusage Gottes ist Verlass. Gott begleitet und führt auch uns durch die Steilkurven und ebenen Bahnen unseres Lebens und hat am Ende auch für uns ein Ziel bereitet.
Gott spricht: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!
Amen.
Arno Mattejat nach einer Vorlage von
Pfarrerin Raffaela Meiser
Wiesenbronner Str. 7., 97378 Rödelsee
RaffaelaValerie [punkt] Meiser [klammeraffe] elkb [punkt] de
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