Predigt am drittletzten Sonntag des Kirchenjahres, 06.11.2022 Johanneskirche Erlangen
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.
Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht bei Lukas, im 17. Kapitel:
20 Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht mit äußeren Zeichen; 21 man wird auch nicht sagen: Siehe, hier!, oder: Da! Denn sehet, das Reich Gottes ist mitten unter euch
22 Er sprach aber zu den Jüngern: Es wird die Zeit kommen, in der ihr begehren werdet, zu sehen einen der Tage des Menschensohns, und werdet ihn nicht sehen. 23 Und sie werden zu euch sagen: Siehe, da!, oder: Siehe, hier! Geht nicht hin und lauft nicht hinterher! 24 Denn wie der Blitz aufblitzt und leuchtet von einem Ende des Himmels bis zum andern, so wird der Menschensohn an seinem Tage sein. 25 Zuvor aber muss er viel leiden und verworfen werden von diesem Geschlecht. 26 Und wie es geschah in den Tagen Noahs, so wird’s auch sein in den Tagen des Menschensohns: 27 Sie aßen, sie tranken, sie heirateten, sie ließen sich heiraten bis zu dem Tag, an dem Noah in die Arche ging und die Sintflut kam und brachte sie alle um. 28 Ebenso, wie es geschah in den Tagen Lots: Sie aßen, sie tranken, sie kauften, sie verkauften, sie pflanzten, sie bauten; 29 an dem Tage aber, als Lot aus Sodom ging, da regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel und brachte sie alle um. 30 Auf diese Weise wird’s auch gehen an dem Tage, wenn der Menschensohn wird offenbar werden.
Um den Segen des Wortes beten…
Liebe Gemeinde!
I Dieser Jesus – mir bleibt der Mund offen stehen.
Dieser Jesus! Immer wieder gibt es Worte von ihm, die lassen mir einfach den Mund offen stehen. Immer wieder höre oder lese ich Sätze von ihm, da bleibt mir die Spucke weg. z.B. bei unserem Predigttext. Wenn man den genau liest, ist es eigentlich unglaublich, was Jesus da sagt:
II Die Frage an Jesus: Vom Leiden an der Welt, so wie sie ist. Und die Frage nach dem Wann?!
Da kommen gottestreue Menschen zu ihm. Die leiden an der Welt, wie sie so ist. Mit Recht. Das Leben ist schwer: Da sind Besatzer im Land, denen ist nichts heilig. Geld wollen sie und Getreide. Und ob sie dann einer Familie das letzte Essen wegnehmen – das ist ihnen völlig egal. Mit Gewalt setzen sie alles durch.
Ach, Jesus, fragen die Gottestreuen, wann wird es endlich anders? Wann, wann kommt denn endlich Gerechtigkeit und Frieden und ein gutes Leben? Wann, wann kommt den endlich Gottes Reich?
Wie gut ich diese gottestreuen Leute verstehe, ich teile ihre Leiden an der Welt, wie sie so ist! Bin entsetzt über Kriege, verzweifelt über Ungerechtigkeiten noch und noch, habe riesige Sorge um´s Klima.
Ach, Jesus, frage ich, wann wird es endlich anders? Wann, wann kommt denn endlich die Gerechtigkeit und Frieden und ein gutes Leben – für alle? Wann, wann kommt denn endlich Gottes Reich?
Jesu Antwort, die kann einen schon schlucken lassen.
III. Jesu Antwort: Keine Zeitangabe, sondern ein Ort.
Wann, so fragen die Gottestreuen den Jesus. Und die Antwort ist keine Zeitangabe. Die Gottestreuen fragen nach einer Zeit. Die Antwort ist ein Ort:
Jesus beantwortet nicht die Frage nach einer Zeit. Er sagt nicht „dann“ auf die Frage nach dem „Wann“. Jesus nennt einen Ort. Und der Ort, der ist echt verblüffend:
Mitten unter Euch. Da ist Gottes Reich.
Bei dieser Antwort, da bleibt mir die Spucke weg. Wie bitte? Da haben wir Sorgen und Verzweiflung und eine riesige Sehnsucht.
Und Jesus sagt: Renn nicht rum und suche. Glaub keinem, der die einfachen Lösungen propagiert. Lach dir keine Wunderheiler an.
Sei einfach da. Mach die Augen auf, das reicht, schau, das Reich Gottes ist doch mitten unter Euch.
Da will ich ja glatt das Diskutieren anfangen. Aber dann fällt mir ein:
Ach ja, haben wir das vorhin nicht gesungen? „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“
Ach ja, haben wir den Gottesdienst nicht begonnen „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“?
Ach ja, haben wir nicht den Psalm gebetet, mit dem wunderbaren Bild, dass „Friede und Gerechtigkeit sich küssen“?
Ach, wir beten ja immer wieder: Dein Reich komme – so wie wir auch ums tägliche Brot bitten und es erhalten, warum sollte es bei Gottes Reich anders sein?
Am Dienstag waren wir eingeladen in die St. Heinrichskirche. Zu Allerheiligen. Einem sehr katholischen Fest. Die Predigt aber war sehr evangelisch: Ganz klar hieß es da, dass an Allerheiligen nicht nur die großen und bekannten Heiligen gefeiert werden wie eine Elisabeth von Thüringen oder ein Franziskus, sondern dass an Allerheiligen auch die Heiligen gefeiert werden, die treu in ihrem Lebensbereich wirken. Eltern, Mütter und Väter, die sich gut um ihre Kinder kümmern. Nachbarn, die aufeinander schauen. Alle, die sich um den Gottesdienst und die Gemeinde mühen.
Das Reich Gottes ist mitten unter Euch.
Sei einfach da. Mach die Augen auf, das reicht, schau, das Reich Gottes ist doch mitten unter Euch.
Die Tränen werden noch geweint – aber auch getrocknet. Leid und Schmerz ist noch da – aber auch eine schützende und stärkende Umarmung. Angst und Sorge ist noch da – aber auch innere Stärke und Gottvertrauen.
Das Reich Gottes ist mitten unter Euch.
IV Und wann wird denn nun ALLES gut?
Mit dieser Auskunft könnten wir aufhören – vielleicht hat Jesus ja die verblüfften gottestreuen Leute auch so stehen lassen, mit offenem Mund.
Seinen engeren Freunden (und sicher waren da auch ein paar Freundinnen dabei!) hat er noch etwas mehr gesagt. Hat ihre Frage vorweggenommen, die Frage danach: Wann wird denn nun ALLES gut?
Jesus und sein Freundeskreis, die kennen die Bilder aus dem Danielbuch, vom Standbild mit den verschiedenen Metallen und den tönernen Füßen. Von den gefräßigen, schrecklichen Tieren. Herrscher, die Gewalt ausüben, sind so treffend beschrieben. Und die Bedrohung der Menschen sprachmächtig gezeichnet. Wenn der Tag des Menschensohnes kommt – dann haben alle diese Schrecklichkeiten ein Ende.
Wann das aber sein wird? Der Tag des Menschensohns – oder die Tage? Ihr werdet keinen dieser Tage sehen sagt Jesus. Und dies nimmt Lukas auf, auch seiner Leserschaft gilt es: Ihr werdet keinen dieser Tage sehen. Noch ist es die Zeit, in der der Menschensohn leiden muss und verworfen wird.
V Wann – das wissen wir nicht – aber ich will auch dabei sein!
Ob wir dieses Ende auf der Erde erleben oder ob wir eben, so wie Jesu Jünger den Tag des Menschensohns nicht erleben – das steht dahin. Ob wir dieses Ende auf der Erde erleben oder ob wir eben, wie die Leserinnen und Leser des Lukasevangeliums den Tag des Menschensohns nicht sehen werden mit unseren irdischen Augen – das steht dahin.
Aber dann, wenn dieser Tag kommt, und dann, wenn Gottes Reich offenbar wird für alle, dann wenn alles und alle nach Gottes Regeln spielt, dann, wenn die Heiligen in einem großen Zug kommen, die großen Heiligen und die kleineren Heiligen und ach, ja, doch hoffentlich wir auch, dann will ich auch dabei sein!
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
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