Predigt
Pfarrerin Ulla Knauer
Christfest I
(25.12.2022)
Predigt zum Brief an die Kolosser 2, 3-10
Gnade sei mit Euch, und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn, Jesus Christus. Amen.
Unser Predigttext, eine Weihnachtspost aus der 1. Generation Christen
Liebe Gemeinde!
Für diesen Festtag, am 1. Weihnachtsfeiertag, wurde uns ein Predigttext bestimmt, aus dem Brief an die Kolosser, im 2. Kapitel. Wer schreibt uns hier an Weihnachten? Genannt wird Paulus als Verfasser, der berühmte Briefeschreiber und Gemeindegründer Mitte des 1. Jahrhunderts.
Stimmen aus der Wissenschaft widersprechen, wenn sie sich den Schreibstil anschauen, die Vokabeln, den Satzbau. Wer nennt sich aber dann Paulus? Hierzu muss man wissen, dass es in der Antike völlig normal war, mit dem Namen seines Lehrers zu unterschreiben, oder seines Idols, wenn man sich der gleichen Meinung oder Botschaft anschloss.
Es schreibt uns also entweder doch Paulus oder ein Gemeindeglied im damaligen römischen Reich, Raum Griechenland oder heutige Türkei. Es gibt sie, die ersten christlichen Gemeinschaften, aber noch ohne große Versammlungsstätten. Private Zusammenkünfte am Sonntag sind es, die die Gemeinde stärken. Wer lesen kann, unterrichtet die Gemeinde am Sonntag oder liest aus den Briefen, die sie ganz oder in abgeschriebenen Teilen von den Aposteln haben. Eifrig schrieben damals die ersten Gemeinden diese Briefe ab und verteilten sie an die nächsten Gemeinden.
Der Sonntag war eine echte Besinnung und Stärkung, um auf dem Weg der Wahrheit zu bleiben. Die nächsten sechs Tage musste Glaube und Gebet reichen, um sich zu Christus zu halten, in einer Welt voller römischer und griechischer Götter, ägyptischer Kulte, prachtvoller Tempel. Die Angebote anderer Religionen und Kulte waren unübersehbar.
In diese Welt wendet sich unser Predigttext. An Menschen, die ein offenes Ohr und ein offenes Herz für die Botschaft Jesu hatten. Bereit waren, ihren bisherigen Kult zu verlassen, in einer neuen Gemeinschaft Fuß zu fassen. Wir lesen heute aus dem 2. Kapitel, die Verse 3-10. Als ich sie in der Vorbereitung immer wieder gelesen habe, merkte ich, dass diese Verse gestaltet sind wie ein Weihnachtspäckchen. Die Verse zu Beginn und zum Schluss gehören wie eine feste Klammer zusammen. Wie eine stabile Paketschnur halten sie die Botschaft fest und sind gleichzeitig selbst eine eigene Botschaft. Liest man dann, die folgenden Verse, passiert wieder das gleiche. Wieder tauchen Rahmenverse auf, die die Mitte umklammern.
Darum hören sie heute zunächst den Predigttext in drei Teilen. Immer die zusammenpassenden Klammerverse. Zum Schluss werde ich den Predigttext einmal ganz lesen.
Die äußere Klammer: Verse 3.9.10, Christus, der größte Schatz
Beginnen wir mit dem „Entpacken“ unseres Weihnachtsbriefes und lesen die Verse 3, 9 und 10:
3In ihm, in Christus, liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.9Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig,10und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
Was für ein Anspruch! Was für ein Reichtum, der hier angesprochen ist! Jesus Christus selbst, ist der größte Schatz, den man haben kann. Welch ein Geschenk für die Leser des Briefes, die sich damals sonntags im Privaten, im Wohnraum getroffen hatten, ohne prächtige Tempel, ohne Schmuck, ohne religiöse Geräte. Am Anfang gab es nur sie und eben sie: die Botschaft. Christus. Sein Leben, sein Sterben, sein Auferstehen. Christus in ihnen seit der Taufe. Christus im Herzen. Unsichtbar und doch so wertvoll, dass sie plötzlich Anteil am Höchsten hatten. Teil des Schöpfers, Teil des Königs der Könige. Kann man das mit Worten überhaupt beschreiben? Ich weiß es nicht. Vermutlich kann man es mehr erleben, fühlen im Gebet, in der Beichte, im Abendmahl, nach einer segensreichen Erfahrung. Diese Botschaft ist dem Schreiber so wichtig, dass er sie wie eine stabile Klammer um diesen Textabschnitt packt. Wenn ich heute etwas festhalten will, mir vor Augen halten will, dass es nicht verloren oder vergessen geht im Alltag, nehme ich eine Pinnnadel oder einen Magnet. Hefte das Papier an eine Pinnwand oder den Kühlschrank. Ein zuverlässiges Hilfsmittel. Um das Wichtige nicht zu vergessen.
Warum aber betont der Schreiber diese Botschaft so sehr? Ist sie bedroht? Ja, sicher. Damals vielleicht noch mehr als heute. Das Christentum war neu. Wer dazukam, musste seinen bisherigen Kult verlassen. Täglich sah man sie wieder, die Nachbarn, die Arbeitskollegen, wurde gefragt: Wann kommst du? Wurde eingeladen zum nächsten Tempelritual oder –fest. Dem über Tage, Wochen, Jahre zu widerstehen ist nicht einfach.
Die mittlere Klammer: 4+8, der Schatz ist Bedrohungen ausgesetzt
Wir kommen zur nächsten Schicht unseres Weihnachtsbriefes und sehen einen neuen geklammerten Text. Verse 4 und 8:
4Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden. 8Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.
Der Schreiber betont hier: Die Welt ist noch nicht das Paradies. Der erhaltene, so wertvolle Schatz, der Glaube, ist Mächten ausgesetzt. Bedrohungen, Zweifel, anderen Religionen und Weltanschauungen, Mächten und Philosophien. Das ist für uns nicht unbekannt, ebenso wenig wie für die damaligen Zuhörer. Auch in Erlangen sehen wir das multikulturelle Leben und viele Angebote. Im Vergleich zu vor 100 Jahren, wo man sich noch zwischen evangelisch und katholisch entscheiden musste, können Sie heute zwischen hunderten Gruppierungen, ob religiös, heilkundlich oder esoterisch wählen. Gerade junge Leute sind da herausgefordert, auf dem Weg zu einer eigenen Identität. Was kann da helfen? Ich denke, nur wenn ich schon einen Ort habe, wo ich mich total wohl und geborgen fühle, und zustimmen kann, werde ich auch dort bleiben. Doch was ist, wenn das fehlt? Dann sind Menschen schnell offen für Angebote, die sich leider zu oft als Werbung oder Betrug herausstellen.
Denken wir einmal an die Flüchtlinge auf der ganzen Welt. Nicht nur nach Europa, genauso suchen Menschen das vermeintliche Glück an der Grenze zur USA, oder innerhalb von Afrika. Ein Beispiel ist Johannesburg, die große Stadt im afrikanischen Süden. Leider auch eine Stadt mit riesigen Armutsvierteln. Trotzdem gibt es Flüchtlings- und Wanderbewegungen aus nördlicheren Ländern dorthin. Ein besseres Leben wird versprochen, Arbeit, genug Essen. Hoffnung, die sich allzu oft zerschlägt und auf Realität trifft. Übergriffe und Gewalt bereits auf dem Weg. Obdachlosigkeit vor Ort. In Zeiten wie Corona wochenlanges Arbeitsverbot für Tagelöhner, was die Armut und Kriminalität nur verstärkte. Inmitten dieser Tragik arbeiten einzelne Vereine, um zu helfen. Zum Beispiel die Gruppe „Sophiatown“ mit Beratung, Unterstützung, Kontakten zu Ärzten, und einem Notfallfonds, um im Einzelfall auch mit etwas Bargeld zu helfen. Und doch scheint dieses Engagement ein Kampf gegen Windmühlen zu sein, angesichts der Anzahl schutzsuchender Menschen. Zu spät erkennen die Flüchtlinge, dass sie nicht im Land, wo Milch und Honig fließen, angekommen sind, sondern dass die Versprechungen Lug und Trug waren, und sie wieder dem Kampf ums Überleben ausgesetzt sind.
Die innere Klammer: 5+6+7, der lebendige Glaube mit Christus hilft
Doch was kann helfen? Auch uns? Auch wir sind Massen von Werbung, von Angeboten ausgesetzt, müssen uns entscheiden, annehmen und ablehnen. Was kann helfen, mit Christus zu leben, auch unter der Woche, nicht nur sonntags?
Wir entpacken die letzte Hülle unseres Predigttextes und kommen zum Kern, Verse 5,6 und 7: 5Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe.6Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm, 7verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit.
Wir kommen wieder zu unserem unermesslichen Schatz: Christus! Die äußere Klammer spiegelt sich hier im Zentrum des Briefs. Und dabei wird die Beziehung vom Gläubigen mit Christus betont. Fünfmal allein in unserm Predigttext hören wir die Worte „in Christus“ oder „durch Christus“. Dieser Kontakt, diese echte Nähe ist es, die den Gläubigen beschützen kann. Christus ist nicht nur am Sonntag spürbar, egal ob Kirche, Privatraum, oder Versteck. Wo die Gläubigen hingehen, da geht Christus mit. In die Arbeit, ins Zuhause, auf den Wegen durch die eigene Stadt. Der Text beansprucht das auch für uns! Christus, der in einem Stall in die Welt gekommen ist, nahbar und erfahrbar, er ist auch heute noch lebendig in uns. In kurzen Worten gibt der Brief drei Tipps:
Erstens: mit Jesus leben, im Alltag. Sich bewusstmachen, er geht mit. Zeiten haben zum Beten.
Zweitens: Es ist gesund, feste Wurzeln zu haben. Die bekomme ich durch gemeinsames Lernen. Das geschieht auch heute noch, im Religionsunterricht, im Konfirmandenunterricht, im Hauskreis, in Gemeindegruppen, im Glaubenskurs.
Drittens: Wer so lebt, wird Dankbarkeit empfinden und dankbar handeln. Auch das prägt das Leben in und mit Christus.
Dieses bewusste Leben macht so stark, dass die mathematischen Windmühlen nicht mehr zählen. Und darum machen die Helferinnen und Helfer auch in Johannesburg weiter. Engagieren sich und lächeln, wenn ein Klient nach Monaten der Not sich stabilisiert.
Dankbarkeit, ein letzter Gedanke:
Die Organisation opendoors macht auf christliche Gemeinden aufmerksam, die in anderen Ländern in der Minderheit oder sogar in Verfolgung leben. Im Internet haben sie zu Weihnachten ein Foto eines ägyptischen Mädchens veröffentlicht. Es blickt hoffnungsvoll in eine brennende Kerze in ihrer Kirche. Die Wand der Kirche schaut alt und beschädigt aus. Um die Ecke von ihrer Wohnung wurden bei einem Attentat auf die christliche Gemeinschaft 25 Menschen getötet. Trotzdem sagt sie dem Journalisten: „Ich gehe gerne in die Kirche. Ich liebe Jesus sehr. Ich habe keine Angst, weil er immer mit mir ist, wohin ich auch gehe.“
„Ich bin gerne Christ. Ich habe keine Angst“ – wenn wir so von der Krippe wieder losgehen können, hat uns die Weihnachtsbotschaft erreicht.
Wie versprochen lese ich den Brief im Ganzen, der uns an das größte Geschenk Gottes erinnert:
3In ihm, in Christus, liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
4Ich sage das, damit euch niemand betrüge mit verführerischen Reden.
5Denn obwohl ich leiblich abwesend bin, so bin ich doch im Geist bei euch und freue mich, wenn ich eure Ordnung und euren festen Glauben an Christus sehe.
6Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm, 7verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit.
8Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.
9Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig,10und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
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