Predigt Karfreitag, 1.04.2021, 9.30
Jesaja 52,13-53,12
13Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. 14Wie sich viele über ihn entsetzten – so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch und seine Gestalt nicht wie die der Menschenkinder –, 15 so wird er viele Völker in Staunen versetzen, dass auch Könige ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn was ihnen nie erzählt wurde, das werden sie nun sehen, und was sie nie gehört haben, nun erfahren.
53 1 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und an wem ist der Arm des Herrn offenbart? 2 Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. 3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. 6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr ließ ihn unser aller Schuld treffen. 7Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
8 Er ist aus Haft und Gericht hinweggenommen. Wen aber kümmert sein Geschick? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat seines Volks geplagt war. 9 Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.
10 Aber der Herr wollte ihn also zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und lange leben, und des Herrn Plan wird durch ihn gelingen. 11 Fern der Mühsal seines Lebens wird er Licht schauen und die Fülle haben.
Durch sein Leiden wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. 12 Darum will ich ihm unter den Vielen Anteil geben und mit Zahlreichen wird er Gewinn teilen, weil er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet wurde. Dabei hat er die Sünde der Vielen getragen und ward für die Übeltäter getroffen.
(Luther 2017 mit den Änderungen, die m.E. vom Hebräischen her unbedingt geboten sind)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
In der Stille… Gott, gib mir ein Wort für mein Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.
Liebe Gemeinde!
Das erste und das letzte Wort hat Gott. Gott sei Dank. Wie bin ich froh über diesen guten Rahmen, den Gott selbst setzt.
Das erste und das letzte Wort hat Gott selbst. Das erste Wort „es werde Licht!“ das letzte Wort: „Ja, ich komme bald.“
Das erste und das letzte Wort hat Gott selbst.
Das ist es, was ich brauche jeden Tag, immer wieder und gerade am Karfreitag.
Wie bin ich froh, Gott, über deine Worte – dein Anfangswort und erst recht über dein Schlusswort!
Dein Anfangswort, Gott, hebt einen hoch. Himmelhoch wird er gehoben, bis dahin, wo du, Gott wohnst. Nie hätte man das gedacht – der war doch eher eklig. Da reiben sich alle die Augen vor Staunen, halten überrascht ihre Hand vor den Mund. Du, Gott, sprichst. Hören wir!
13Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. 14Wie sich viele über ihn entsetzten – so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch und seine Gestalt nicht wie die der Menschenkinder –, 15 so wird er viele Völker in Staunen versetzen, dass auch Könige ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn was ihnen nie erzählt wurde, das werden sie nun sehen, und was sie nie gehört haben, nun erfahren.
Gott, wie bin ich dankbar für den Rahmen, den du setzt. Du zeigst uns Zusammenhänge, die wir nicht einmal hätten ahnen können.
Um Zusammenhänge geht es in diesem großen Bibelkapitel. Unglaubliche, wunderbare Zusammenhänge. Die ich leider nicht so ganz und gar genau erfassen und sortieren und beschreiben kann. Sie wissen, dass ich die Dinge gerne ein bisschen aufdrösle und sortiere, aber da sperrt sich dieser Text. Wir betrachten ihn also heute eher intuitiv.
Es geht um ungeahnte und wunderbare Zusammenhänge. Unglaubliches für uns stolzen Menschenkinder. Wir erstarren ja in Ehrfurcht, wenn einer teuer gekleidet daherkommt in der Nobelkarosse. Wir stolzen Menschenkinder, wir fliegen auf Schönheit.
Die Zusammenhänge, die Gott uns ahnen lässt, sind andere.
53 1 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und an wem ist der Arm des Herrn offenbart? 2 Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. 3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
Das Runtergucken auf andere, das liegt uns im Blut, seit wir das Paradies verlassen haben. Mobbing – das Wort ist modern, die Sache uralt.
Carsten Stahl hat in einem bewegenden Artikel erzählt von seiner Zeit in der Grundschule, er hatte das Pech ein bisschen klein und dicklich zu sein und wurde im Handumdrehen das Opfer. Keine Gestalt noch Hoheit, verachtet, der Allerverachtetste. Von einigen gepiesackt, alle anderen guckten weg, schauten ihn nicht an, auch die Lehrer nicht. Dann wurde er größer, stark. Und fing an, zurückzuschlagen. Und dann nicht mehr zurückzuschlagen, sondern nur noch zu schlagen. Irgendwann und irgendwie und ich bin sehr versucht hier „Gott sei Dank“ zu sagen, wurde ihm klar: Ich tue jetzt genau das, worunter ich so lange gelitten habe. Mittlerweile geht er in die Schulen, spricht mit den Heranwachsenden, mit Lehrerinnen und Erziehern, mit Eltern. Damit niemand mehr misshandelt wird und verachtet, damit alle gewinnen.
Die, auf deren Worte wir heute hören, sind vielleicht einen ähnlichen Erkenntnisweg gegangen. Ganz neue Zusammenhänge taten sich ihnen auf:
4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. 5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. 6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der Herr ließ ihn unser aller Schuld treffen. 7Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
Diese Worte ihrer hebräischen Bibel hörten Jesu Gefolgsleute nach seinem Tod und seiner Auferweckung ganz neu. Hier fanden sie benannt, was ihnen erst Ahnung war und freudiges Durcheinander in Herz und Sinn.
8 Er ist aus Haft und Gericht hinweggenommen. Wen aber kümmert sein Geschick? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat seines Volks geplagt war. 9 Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.
10 Aber der Herr wollte ihn also zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und lange leben, und des Herrn Plan wird durch ihn gelingen. 11 Fern der Mühsal seines Lebens wird er Licht schauen und die Fülle haben.
Das Grab bei den Gottlosen, die Gerechtigkeit des Gemarterten, die freiwillige Hingabe seines Lebens für die Vielen, die Überwindung des Todes, eine Grenzaussage der hebräischen Bibel „fern der Mühsal seines Lebens wird er Licht schauen“ – all das warf ein Verstehenslicht auf den Weg des Jesus von Nazareth. Sein Weg – keine gerechte Strafe für üble Taten. Nein, sein Weg – Hingabe für die Schuld der anderen. „Für uns“ – so bekannten die ersten Christenleute und so bekennen wir es bis heute.
Und zwischendrin verzweifle ich an manch sich christlich nennenden Menschen, die nichts Besseres zu tun hatten, als andere zu martern und zu schlagen und sich dabei noch im Recht zu fühlen. Ach, Gott, lass und dein Wort nicht vergessen, dein Anfangs- und Schlusswort!
Du erhebst deinen Knecht und mit ihm all deine Knechte und Mägde in seiner Spur. Nachkommen werden sie haben, wie Sophie Scholl, die unzähligen Schülerinnen und Schülern Vorbild ist – 187 Schulen tragen ihren Namen.
Gewinnen werden sie alle, denn in den Zusammenhängen, die du stiftest Gott, in diesen Zusammenhängen, da gibt es nur Gewinner. Ein Trost ist mir das, wenn ich an die Vielen denke, die gemartert werden. Ich nehme die Befreiung an von der Schuld, die mir dein Knecht gibt. Ich tue, was mir möglich ist und vertraue auf dich mit dem Unmöglichen.
Danke, Gott, für dein letztes Wort!
Durch sein Leiden wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. 12 Darum will ich ihm unter den Vielen Anteil geben und mit Zahlreichen wird er Gewinn teilen, weil er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet wurde. Dabei hat er die Sünde der Vielen getragen und ward für die Übeltäter getroffen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
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