Matthäus 26
17 Aber am ersten Tag der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wo willst du, dass wir dir das Passalamm zum Essen bereiten? 18 Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passamahl halten mit meinen Jüngern. 19 Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Passalamm.
20 Und am Abend legte er sich zu Tisch mit den Zwölfen. 21Und als sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten. 22 Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, jeder einzeln zu ihm zu sagen: Herr, bin ich’s? 23 Er antwortete und sprach: Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich ausliefern. 24 Der Menschensohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre. 25 Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Bin ich’s, Rabbi? Er sprach zu ihm: Du sagst es.
26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. 27
Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; 28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. 29 Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. 30 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
Liebe Gemeinde!
Abschiede fallen mir schwer. Und der letzte, große Abschied, der Tod – den mag ich gar nicht. Ich weiß, dass wir nicht drumrumkommen um Abschiede, weder um die kleinen noch um den großen. Aber es ist halt schwer, immer wieder schwer, Abschied zu nehmen.
Ich hatte meine Arbeit als Pfarrerin an der Uniklinik gerade aufgenommen, da wurde ich auf eine große Intensivstation gerufen. Eine Frau lag im Sterben, ihr Mann hatte um die Klinikseelsorge gebeten. Da standen wir nun in einem großen Raum voller Intensivbetten, so gerade hingequetscht an das Bett der Sterbenden. Kalt war es. Die Geräusche der Intensivmedizin konnte ich schnell ausblenden, das Piepsen und Rauschen, die Beratungen und Kommandos – das trat zurück. Ich konzentrierte mich auf den Mann, sein Erzählen, sein Weinen. Die Frau selbst, so hofften wir beide, konnte uns hören. Selbst sprechen konnte sie nicht. Ein Schlauch ging direkt in ihren Hals. Irgendwann fasste sich der Mann ein Herz: „Können wir nicht ein Abendmahl feiern?“ Ja, konnten wir. Ich suchte alles zusammen, wir bauten einen Minialtar auf. Auf einem klitzekleinen Nachttischchen. Kreuz und Kelch und die Schale für das Brot. Mehr nicht. Ich zog meinen Talar an, sprach wenig mehr als die altvertrauten Worte. Die Frau bekam ein wenig Wein auf einem langen Wattestäbchen in den Mund getupft. Der Mann und ich teilten uns den Rest und das Brot. Es war traurig. Und: tröstlich. Irgendwie waren wir nicht nur auf der Intensivstation, irgendwie waren wir auch bei einem Abschiedsessen in Jerusalem, und –gleichzeitig- ja, auch dort, wo es nur noch Feier gibt und keinen Abschied mehr.
Ein Abschiedsessen in Jerusalem – die Leserinnen und Leser wissen jedenfalls, dass es ein Abschiedsessen ist. Und zwei von den Zwölfen wissen es auch. Die restlichen 10 ahnen etwas, da liegt was in der Luft, aber was? Jesus spricht es direkt an: Einer wird mich ausliefern – an die Behörden übergeben – und was dann kommt, was das heißt, das war allen klar. Sympathisch sind sie mir, die Jünger, die alle betroffen fragen: „Herr, bin ich´s?“ Keiner kann für sich selbst die Hand ins Feuer legen und keiner tut so, als könnte er´s.
Jesus selbst sagt dem Judas, dass er es weiß. Und gleichzeitig gibt Jesus den, der ihn ausliefert, nicht preis. [Es erfolgt kein Rauswurf, kein Eklat, es wird einfach weitererzählt.]
Ja, Gott kann aus dem Schlechtesten Gutes entstehen lassen. Aber deshalb macht doch Gott nicht das Schlechte. Die Verantwortung des Menschen bleibt.
Ich lasse das Judas-Problem für heute bei dem, der gestorben ist und von Gott auferweckt wurde. Er soll sich damit rumschlagen, ich will und muss auf meine Verantwortung sehen.
Alle, die da sind, kriegen nun etwas, das bleibt. Ein immaterielles Weltkulturerbe sozusagen: Brot und Kelch. Das Grundnahrungsmittel und das Festgetränk aus dem Gewächs des Weinstocks. Beides wird gedeutet auf den Abschied hin: Gebrochen wie das Brot wird der Leib. Ausgegossen wie der Wein wird das Blut. So wird Vergebung der Sünden für viele möglich. Und dann gibt es noch eine gute Aussicht: Die, die jetzt da sind werden mit Jesus Christus von neuem trinken vom Gewächs des Weinstocks in Gottes Reich.
Was für ein Abschied! Da nehmen die Jünger Platz für ein Abendessen und aufeinmal wird es zum Abschiedsessen. Ein Abschied, der Beziehungen klärt. Ein Abschied, der etwas gibt, das bleibt. Ein Erbe, aber keines, um das man sich streiten muss, sondern ein Erbe, das alle miteinander verbindet. Ein Abschied, der Aussicht gibt auf Neues.
Also, wenn schon Abschied, dann so wie hier: Mit geklärten Beziehungen. Mit einer Gabe, die bleibt und verbindet. Mit einer verheißungsvollen Perspektive.
Danke für das Abendmahl, Herr Jesus Christus!
Amen.
Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
- 22 Aufrufe