Predigt am 18.12.2022 4. Advent
Philipper 4, 4-6
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.
Wir beten in der Stille um den Segen des Wortes.
Gott, gib mir ein Wort für mein Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.
Liebe Gemeinde!
I Der Herr ist nahe!
Der Herr ist nahe!
Der das Universum geschaffen hat und all die Galaxien, die Sonnen und Planten – und unsere schöne blaue Erde – dieser Herr ist nahe!
Der im Himmel wohnt, in den Farben des Regenbogens lebt – und nicht dortgeblieben ist in Pracht und Glanz – der sich zur Erde begeben hat – dieser Herr ist nahe!
Der die Menschen nicht bewertet, sich nicht beeindrucken lässt von schnellen Autos und schicken Anzügen, der nicht nach Handys schaut und teuren Klamotten, sondern in die Augen und die Herzen der Menschenkinder – dieser Herr ist nahe!
Der die Tränen kennt und den Schmerz und die Verlorenheit und dem nicht ausgewichen ist – dieser Herr ist nahe!
Der den Tod erlitten hat und die Hölle kennt. Der den Tod überwunden hat und uns in sein Leben hineinzieht – dieser Herr ist nahe!
Der eines Tages alles, alles gut machen wird, so dass alle Tränen getrocknet werden, kein Leid, kein Schmerz und kein Geschrei mehr sein werden – dieser Herr ist nahe!
So entsteht Bewegung unter uns und - Freude.
Ja, denke ich, zum Glück habe ich nochmal genau gelesen. Beinahe hätte ich dem Paulus ja einen geharnischten Brief zurückgeschrieben. Hätte ihm gesagt, dass man Freude doch nicht befehlen kann. Das funktioniert nicht, zu befehlen „Freu dich!“ Freude entsteht doch, da, wo es halt einen Grund gibt dafür. Was, was man sehen kann zum Beispiel: „Freude dich sehr, du Tochter Zion, SIEHE…“ Oder eben was, was man fühlen kann, wenn der Herr nahe ist…
Ja und genau den Grund liefert der Paulus ja sofort im nächsten Wort „im Herrn“. Er befiehlt nicht einfach „Freut euch!“ Er verordnet die Freude nicht, sie ist begründet in dem Herrn.
Ich sage hier gerne „Herr“ – es ist durchaus ein kritisches Wort. Kritisch gegenüber allen, die sich zu Herren aufspielen in dieser Welt. Ihre Herrschaft ist begrenzt und das ist gut so. Es schwingt eben Marias revolutionäres Lied mit „Der Herr wirft die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“. Und es schwingt in diesem Wort auch mit, dass es immer auch eine Krücke ist, eine Hilfskonstruktion. Der Name Gottes, der nicht ausgesprochen werden kann und darf, der wird in der Hebräischen Bibel mit „Herr“ bezeichnet. Immer ist da also das dabei, was wir letztlich nicht fassen können.
„Freut euch – das steht nicht einfach so da, der Freudengrund kommt sofort: im Herrn!“
Wir haben mit den Konfis uns auf das Abendmahl vorbereitet. Auf dem Weg dorthin haben wir uns mal die Hostien angeschaut. Und dabei haben alle mal so eine Hostie in die Hand bekommen. Und dann gab es eine Runde, in der jede und jeder mit einem kurzen Satz sagen sollte, was sie an Jesus Christus gut finden. Und der Satz wurde dann bekräftigt mit dem Brechen der Oblate. Es war eine berührende Runde. „Ich finde an Jesus gut, dass er zu den Frauen gehalten hat.“ Knack. „Ich finde an Jesus Christus gut, dass er auferstanden ist.“ Knack. „Ich finde es gut, dass Jesus die Sünden vergibt.“ Knack.
Als wir durch waren, aßen wir unsere zwei kleinen Stücke. Das war nicht das Abendmahl selbst, aber eine gute Annäherung an diese Feier, die uns ja genau das sagt: „Der Herr ist nahe!“
Und diese Freude, die gilt immer – allezeit – und überall – allewege. Ganz egal, was an Weltgeschehen um uns tobt oder an Aufruhr im Inneren…
Und diese Freude – die wirkt sich aus: Wir können mild sein, gütig, barmherzig, sanft den Menschen gegenüber. So leben wir in der Nähe des Herrn, geben weiter, was wir empfangen haben: den gütigen Augen-Blick, Wohlwollen, ganz praktische Hilfe…
II Beten statt sorgen
Die Nähe des Herrn nimmt nicht automatisch alle Sorgen weg. Das wird erst so sein, wenn wir im Himmel sind – oder der Himmel bei uns ist. Bis dahin gilt, dass Sorgen recht stabile Gestalten sind, die gerne jeden Morgen wieder wach werden – „Guten Morgen, liebe Sorgen, seid Ihr auch schon alle wach?“ Dazu schreibt der Paulus einen Satz, der ist schon typisch: Alles ist drin. Keine 20 Worte im Orginal. Und gleichzeitig genug Stoff, um diesen Satz ein Leben lang nachzubuchstabieren: „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ Alles drin: Das Gebet – das Flehen, die Klagen und die Hilferufe und die Bitten – aber eben auch der Dank, den gibt es ja auch und es gibt ja auch immer Grund zum Danken. Alles drin.
Und weil die Sorgen immer so gerne aufwachen, hilft es, auch das Gebet wach zu halten – eben ein Leben lang…
III Gottes Friede
Hier im Brief an die Gemeinde in Philippi steht dieser Satz mittendrin. Wir hören ihn meist am Ende, also am Ende einer Predigt. Deshalb hat er auch den Namen „Kanzelsegen“, also ein Segen, der von der Kanzel kommt, in Ergänzung zum Segen am Gottesdienstende, der vom Altar her kommt. Ich liebe diesen Satz:
„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.“
Neulich habe ich eine kritische Betrachtung zu diesem Satz gelesen. Die Vernunft werde hier schlechtgemacht. Zurückgesetzt. Und das sei nicht christlich. Das stimmt natürlich. Die Vernunft, unser Denkvermögen, ist wichtig und ernstzunehmen. Der englische Krimiautor und Erfinder von Pater Brown, Gilbert Keith Chesterton, hat das in einer Erzählung gut auf den Punkt gebracht: Da entlarvt Pater Brown einen Verbrecher, der sich als Priester verkleidet hat. Der Verbrecher will von Pater Brown wissen: „Woran haben Sie mich erkannt? Was hat mich entlarvt? Ich war doch so gut verkleidet und habe mich so gut vorbereitet!“ Pater Brown erklärt schlicht: „Sie haben die Vernunft angegriffen. Das tut kein ernsthafter Theologe.“
Die Vernunft, unsere Denkfähigkeit, ist ernstzunehmen. Da ist die Bibel mit dem Protestanten und Philosophen Kant durchaus auf einer Linie! „Habe den Mut, deinen Verstand zu gebrauchen!“ Ja, das gilt und ist wichtig.
Und gleichzeitig tut es so gut, zu wissen, dass über allem Denken und Forschen, über allen Erkenntnissen und Prognosen, über großartigen Erfindungen und genialen Irrtümern – aber allem Gottes Friede steht und uns bewahrt.
Uns mit unserem Herzen, unseren Gefühlen bewahrt.
Und mit unseren Sinnen, mit dem wie wir die Welt auffassen können und verstehen, bewahrt.
In Christus Jesus – dem Herrn.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
- 13 Aufrufe