Predigt im Rahmen der Sommerpredigtreihe „Menschen haben Gefühle. Gott auch?“ zum Thema „Zorn Gottes“, gehalten im August 2024 in Alterlangen, Büchenbach, Dechsendorf, Kriegenbrunn und Frauenaurach.
Vorrede aus der Begrüßung:
Im Rahmen der Sommerpredigtreihe bin ich heute hier. Das Thema ist schon rasant: „Menschen haben Gefühle. Gott auch?“ – Herbert Küfner hat diese Frage ja elegant abgewiesen, wenn Gott doch schon sagen lässt „meine Gedanken sind nicht eure Gedanken…“ – wieviel mehr gilt das dann für die Gefühle! Also, ja, das ist eine antropomorphe Redeweise, eine bildliche, übertragene Redeweise, wir reden von Gott in menschlichen Kategorien. Einerseits. Andererseits redet die Bibel eben oft so menschlich von Gott. Und, Achtung, damit verändern sich auch die Bilder selbst, wenn sie auf Gott angewandt werden. Die Gefühle erhalten einen anderen Inhalt, da genau zu schauen, das ist lohnenswert. Die Liebe verliert allen Egoismus, alles Beherrschen und Besitzenwollen. Und, ja, der Zorn verliert die blinde Wut, das Unberechenbare. Und, der Zorn Gottes, der ist nicht einfach so auf derselben Ebene zu sehen wie Treue/Reue/Gnade Gottes. Sondern ist immer kleiner als die zugewandten, positiven Gefühle. Insofern passt es gut, dass die Predigtreihe drei eher positive und eben das eine eher negative Gefühl bespricht.
Mehr an allgemeinem werde ich aber nicht sagen zum Zorn Gottes oder zur Frage „hat Gott Gefühle?“. Ich werde mich auf EINE Bibelstelle beschränken, den Psalm 90, und das wird umfangreich genug.
Liebe Gemeinde!
Ach, Gott, DU
Du bist unsere Zuflucht für und für.
Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist Du GOTT, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Ja, wir nehmen bei Dir Zuflucht, Du bist unser Versteck, unser Rettungsraum. Wir bergen uns unter deinem Schutzmantel. So sicher bei Dir, so sitzen wir und beten den Psalm. Den GANZEN Psalm.
Es ist ein guter Psalm, dieser Psalm 90: Weil er uns hilft, klug zu werden. Klug nicht im Sinne von „17+4 ist 22“ oder „wie schreibe ich einen schönen Aufsatz?“ – es sind ja zum Glück Ferien! Klug im Sinne von lebensklug – so wie weise. Ein weises Herz wird uns versprochen und mit dieser Klugheit, mit diesem weisen Herzen bestehen wir – vielleicht nicht die nächste Prüfung, da muss nochmal anderes gelernt werden. Aber das Leben werden wir bestehen, so schnell wirft uns dann nix um.
Dafür geht der Psalm selbst ganz schön zur Sache. Das werden wir erstmal aushalten müssen – aber wir sitzen ja bei Gott geborgen, in GOTTES Schutz!
Der Psalm geht zur Sache: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.“ Was für ein Satz. Was für eine Bitte. „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden.“ -
Echt jetzt? Ich will Sommer feiern, grillen und trinken und baden! Echt jetzt. Feiern und grillen und trinken und baden – es wird ein Ende haben, vielleicht schneller als du denkst, und was bleibt dann übrig davon? Denk an den Freund mit dem Unfall, überhaupt - hast Du ihn denn mal besucht vor lauter Grillen und Feiern? Denk daran, wie verletzlich wir alle sind, die heißen Tage zeigen es doch: Wir gehen kaputt in der Hitze – was tust Du dagegen, dass unsere Welt noch heißer und heißer wird? Dabei bist Du selbst, Menschlein, doch wie ein Gras, das am Morgen noch grün ist und am Abend verdorrt. Gehst dahin.
Der Psalm geht zur Sache „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden“ – In der Beerdigungsagende wird gebetet: „Wir vertrauen deiner Gnade an, wen du als nächstes aus unserer Mitte abberufen wirst.“ Immer wieder höre ich da Menschen schwer einatmen. Huch. Meistens nehme ich die mildere Version und bitte eben mit dem Psalm „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf das wir klug werden.“ Und setze dann dazu „klug und weise unsere Zeit nutzen, zum Glauben und zum Hoffen und zum Lieben.“
Psalm 90 aber wird noch härter, denn er erinnert nicht nur an unsere Vergänglichkeit, wie ein Gras wir sind, sondern er benennt die Ursache:
„Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahinmüssen – unsere Missetaten stellst du vor dich – unsere unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht“
So, nun sind wir also angelangt bei unserem heutigen Thema der Predigtreihe, bei Gottes Zorn angekommen. „Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen.“ Oje. Zum Glück sitzen wir im Rettungsraum. Im Schutzmantel. Ach, nehmen sich nicht immer die falschen solche Ansagen zu Herzen? Die, die sich mühen um so vieles, um ein gutes Miteinander, um unsere Natur, um Menschen und Tiere? Und die, denen alles sowieso wurst ist, denen ist es auch egal, dass GOTT bei der Menschheit, so wie sie ist, einen heftigen Stopp reingehauen hat. So nicht. Jedenfalls nicht ewig. Eure Jahre sind begrenzt, nur so seid ihr für Eure Mitmenschen und für die Natur und für mich überhaupt zu ertragen.
Also, wenn Sie zu denen gehören, die sich Gedanken machen um ihre Missetaten und die unerkannte Sünde – dann bleiben Sie ruhig im Rettungsraum sitzen, bleiben Sie in der Zuflucht bei Gott.
Wenn Sie zu denen gehören, denen alles Wurst ist: Dann machen Sie sich mal Gedanken – es gibt so etwas wie den Zorn Gottes. Der hat Folgen. Da kann es einem vergehen.
Gottes Zorn – kein leichtes Thema. Gar nicht. Was ich dabei gut finde, dass ist zweierlei: Zum einen zeigt dieser Zorn, dass Gott parteiisch ist. Dass alle Menschen für Gott zählen. Und nicht die einen wichtig sind und die anderen nicht. Das reicht von den Propheten, die zur Achtung der Witwen und Waisen und der kleinen Leute aufrufen bis zu Marias Lied, „er erhöht die Niedrigen.“ Also, erstens: Gott ist parteiisch, das zeigt diese Rede von Gottes Zorn.
[Lässt Sonne aufgehen – Tod erwischt alle – Ja. Trotzdem: Es ist nicht egal, was du tust.]
Und zweitens: Ist das Kühne an dieser Redeweise: Den Zorn bei Gott zu lassen. Nicht zu verteilen: Hier ist das Licht – da ist der Schatten.
Hier ist Leben und Gesundheit – da ist Krankheit und Tod.
Hier ist Freude – da ist Leid. Und so weiter. Es gab Theologen in der Geschichte, die haben so ein zwei-Gott-System entwickelt: Da der gute Gott – und da der böse. So haben sie die Wirklichkeit gespalten und alles ordentlich verteilt. Und sind genau damit der Wirklichkeit nicht gerecht geworden.
Kein Mensch ist nur gut.
Und kein Mensch – wobei ich mir da nicht so sicher bin- ist nur böse.
Viele Dinge haben nicht nur zwei, sondern richtig viele Seiten.
Die Theologen, die von Gottes Zorn geredet und geschrieben haben, die haben tatsächlich dazu beigetragen, dass das Volk Israel das Exil als Volk überlebt hat. Nein, haben sie gesagt, nicht der Stadtgott von Babylon, Marduk, ist der tolle und starke. Nein, unser Gott hat die Babylonier gewinnen lassen. Damit wir endlich kapieren, worauf es ankommt. „Herr lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen…“ in anderer Variante. So hat Gott seine Macht erwiesen. Und so ist dieser beeindruckende Gottesglaube mit seinem Monotheismus und seinen zehn Geboten und seiner starken Ethik der Menschheit erhalten geblieben.
Freilich, ja, es fällt uns trotzdem schwer, heute so einfach von Gottes Zorn zu reden. Es ist ja überhaupt nicht einfach von Gottes Gefühlen zu reden – Herbert Küfner, den ich so sehr schätze, der hat ja letzte Woche einfach darauf hingewiesen „meine Gedanken sind nicht eure Gedanken…“ und daraus geschlossen, dass ja wohl auch gilt „meine Gefühle sind nicht eure Gefühle“.
Ja, es ist eine antropomorphe Art, von Gott zu reden, also in menschlichen Bildern. Und der Hinweis von Paul Tillich, dem großen Theologen des 20. Jahrhunderts, dass Gott eben nicht Seiendes ist, sondern das Sein selbst. Also: Über allem steht. Nicht zu erfassen ist. Die Rede von Gottes Gefühlen also in gewisser Hinsicht immer nur als symbolische Rede verstanden werden kann. Das ist schon wichtig. Klar. Und trotzdem brauchen wir die kühne, symbolische Art, um wichtiges zu verstehen.
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, damit wir klug werden. Erkennen, was zählt.
Der eine oder die andere hat sicher eine Antwort darauf, was nun zählt. Vielleicht gehört ja auch bei Ihnen der Verweis auf die Gnade dazu. „Fülle uns frühe mit deiner Gnade“ so heißt es hier im Psalm. „Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.“ schreibt der Römerbrief (11,32). Ja, mit dem Römerbrief im Rücken, sozusagen in Christi Schutzmantel Zuflucht findend, liest sich der Psalm nochmal beruhigter. Vom Leben, das Christus uns erworben hat, lesen wir da und von Gottes Güte, die uns zur Umkehr leitet. Trotzdem, festzuhalten bleibt: Bereits im ersten Testament ist der Zorn immer weniger als die Güte, rein mengenmäßig die Güte und Treue und Zuwendung Gottes zu seinen Menschen mehr. Das passt das Verhältnis unserer Predigtreihe: Gottes Zorn zu Gottes Reue/Treue/Gnade ganz gut!
So, wir nehmen es hin, unsere Vergänglichkeit und wir wissen unseren Schmerz darüber aufgehoben in der Rede vom Zorn Gottes. Und wir schieben es nicht weg, unsere Vergänglichkeit und ersaufen unser Wissen darüber nicht. Nein, wir stellen uns dem Thema. In Christi Schutzmantel gehüllt, beten wir den Psalm. Wir lernen, was wirklich zählt und gehen dann getrost ans Werk. „Ja, das Werk unserer Hände wollest du uns fördern!“
Amen.
Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
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