1.Sonntag nach Ostern – Quasimodogeniti, 7. 4. 2024
Johanneskirche Erlangen
Predigt zu Johannes 20, 19-20. 24-29
I
Thomas hat seinen schlechten Ruf weg!
Schon früher, bei einer der Abschiedsreden Jesu, war er aufgefallen: (Joh. 14, 5)
Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?, so sagte er im Kreis der Jünger zu Jesus.
Und jetzt in unserer Szene:
Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale und lege meine Hand in seine Seite, kann ich’s nicht glauben.
Er ist der sprichwörtliche ungläubige Thomas.
Dabei glaubten die anderen Jünger auch erst, als sie sahen.
Maria von Magdala hatte ihnen von ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen berichtet,
trotzdem haben sie sich voll Furcht verbarrikadiert – das ist alles andere als Osterglaube.
Erst als Jesus ihnen die Hände und seine Seite zeigte, wurden die Jünger froh.
Es gibt in den Evangelien etliche Berichte vom Erscheinen des Auferstandenen.
Diese Glaubenserfahrungen der Zeitzeugen haben ja erst den Auferstehungsglauben wachsen lassen.
Aber in der heutigen Erzählung aus dem Johannesevangelium, unserem Predigttext,
Geht es speziell um das Spannungsfeld zwischen Zweifel und Glaube.
Thomas, einer der Zwölf, der Zwilling genannt wird, ist ein kritischer Geist, ein Skeptiker.
Er möchte gerne Beweise für den Glauben.
Er ist eine moderne Figur, unser aller Zwillingsbruder.
Er passt in die Zeit der Fake News, des Post-Faktischen und der Künstlichen Intelligenz.
„Die Aussagen lassen sich nicht unabhängig überprüfen“, sagt vorsichtshalber der Tagesschausprecher.
Der Zweifel ist uns seit der Aufklärung in die Wiege gelegt.
„… die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“, sagt Faust in Goethes berühmtem Drama.
Die Verifizierung von Thesen ist das A und O der Wissenschaft, hier gehört der Zweifel zum Prinzip.
Und für viele ist der Glaube mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild unvereinbar.
Auch das ist ein Grund, warum die Zahl der Kirchenmitglieder rückläufig ist.
Davon abgesehen:
Ein gesundes Misstrauen bewahrt vor schlechten Erfahrungen.
Das zeigen Berichte von sog. Schockanrufen,
und von verdächtigen Mails bleiben wir alle nicht verschont.
Die kritische Auseinandersetzung mit vorgeblichen Fakten führt zu fundierter Erkenntnis,
Zweifel ist Wissbegierde,
das gilt auch für uns Christen.
Aber Zweifel kann auch als Misstrauen ausgelegt werden.
Habt ihr denn kein Vertrauen?, fragt Jesus seine Jünger im sturmbewegten Boot. (Markus 4, 40)
Wer glaubt, zweifelt nicht, galt früher in kirchlichen Kreisen als eiserner Grundsatz.
Da lag der Umkehrschluss „Wer zweifelt, glaubt nicht“ schon ganz nahe…
Da setzt doch das Johannesevangelium Thomas ein großartiges Denkmal:
Gerade er, der Zweifler, gewinnt den tiefsten Zugang zum Geheimnis Jesu:
III
Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie…
Verschlossene Türen halten den Auferstandenen nicht auf.
Er ist einfach da.
Was verschlossen ist, an Türen und Herzen, durchbricht er auf wundersame Weise.
Friede sei mit euch!, sagt er,
tritt zu den Ratlosen und bringt den Verängstigten seinen Frieden.
Das tat er damals, das tut er heute: Friede sei mit euch! ruft er uns im Abendmahl zu.
Friede sei mit euch!
Shalom, - Heil, Ganzheit, Vollkommenheit –
der allumfassende Friede Gottes ist gegenwärtig im Dialog zwischen Thomas und Jesus.
Jesus hat Verständnis für den Zweifler, er nimmt sein Verlangen nach Beweisen ernst.
Er kommt Thomas entgegen.
Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite,
Thomas will er erlauben, was er Maria Magdalena bei der Begegnung am Ostermorgen versagt hatte (Joh. 20, 17): eine echte Berührung.
Jesus schafft mit seinem Angebot Nähe, … Vertrauen…
Sei nicht ungläubig, sondern gläubig!
Bedarf es da für Thomas wirklich noch der prüfenden Berührung?
Unser Bibeltext schweigt sich darüber aus.
Hat er? Oder hat er nicht?
Wenn man sich hineindenkt in die Art und Weise, wie das Johannesevangelium Jesus versteht und schildert,
kann man sich vorstellen:
Thomas hat das Angebot Jesu ausgeschlagen.
Er hat letztlich den Finger doch nicht in die Wunde gelegt…
Hätten wir? Oder hätten wir nicht?
Thomas‘ Antwort ist so vielsagend:
Der Anblick von Jesu Wunden öffnet nicht nur seine Augen, sondern auch sein Herz:
Der Auferstandene ist der Gekreuzigte!
Der Wanderprediger, dem Thomas als Jünger gefolgt war, ist der Auferstandene!
Der für mich gestorben ist, der gelitten hat, der selbst in Gethsemane Angst hatte, der Unsicherheit und Verzweiflung verspürte,
… ist der Auferstandene!
Er ist der Retter, er ist der liebende Gott selbst!
Er ist ganz nahe da für die, die zweifeln und eine echte Begegnung brauchen.
„Mein Herr und mein Gott!“
IV
Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du“…
Jesu Antwort ist keine Kritik an Thomas, sie bereitet eher ihn und uns auf die Zukunft vor,
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Das gibt Jesus vor allem uns, den Zwillingsbrüdern von Thomas, auf den Weg.
Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht. (1. Petrus 1, 8)
So hat es der Schreiber des 1. Petrusbriefs formuliert.
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Was kann unseren Glauben stärken?
Wir dürfen an der Seite von Thomas stehen,
Zweifel sind erlaubt – gerade, wenn wir in Not geraten oder Leid erfahren!
Gemeinde darf auch ein Ort des Zweifels sein!
Stärken wir uns gerade im Zweifeln gegenseitig im Glauben,
im Gottesdienst, in Gesprächen, im Hauskreis, im Glaubenskurs….
Immer wieder wird uns dabei das Wort Gottes eine Hilfe sein,
die Psalmen,
die Geschichten aus dem Ersten Testament – sie sind letztendlich alle Geschichten vom Glauben an Gott,
die Evangelien - Jesu Reden und Taten lassen uns das Reich Gottes erahnen,
die Briefe aus dem frühen Christentum (etwa von Paulus) – sie reflektieren Jesu Leben, sein Leiden und Sterben
und schließlich auch die frohe Botschaft der Auferstehung.
Und dann gibt es auch Glaubens-Vorbilder….
Vielleicht fällt Ihnen spontan jemand aus dem eigenen Umfeld ein,
mir etwa meine Großmutter:
Sie wurde früh Witwe und hatte ein entbehrungsreiches, langes Leben.
Ich erlebte sie mit einem tiefen, unerschütterlichen Glauben – von Zweifeln war nie die Rede,
aber vielleicht hatte sie auch welche?
Vielleicht denken wir an Dietrich Bonhoeffer,
als Widerstandskämpfer im Gefängnis, den Tod am Strang vor Augen
schreibt er sein Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
Es bestätigt so eindrucksvoll Jesu Wort: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! sagt Jesus.
Dabei gibt es doch immer noch genug zu sehen!
In der Lesung vom Propheten Jesaja haben wir es vorhin gehört:
26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat…
Er ist der Schöpfer der ganzen Welt mit allem, was darauf lebt.
Schauen wir uns nur um, was Gott geschaffen hat,
was er mit jedem Frühjahr wieder auferstehen lässt –
auch das kann den Zweifel entkräften und Zweifelnde kräftigen.
29 Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden…
31… die auf den HERRN harren (die glauben),
kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler,
dass sie laufen und nicht matt werden,
dass sie wandeln und nicht müde werden.
Jesaja führt uns wunderbar vor Augen, was der Glaube bewirken kann.
V
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! sagt Jesus.
Der Skeptiker Thomas hat den Glauben noch gefunden.
Letztendlich wurde ihm der Glaube geschenkt.
Glaube kann entstehen ohne sichtbare und ohne greifbare Beweise.
Manchmal können wir mit unserem Herzen mehr begreifen, als unsere Augen erfassen,
so dass wir glauben, vertrauen gegen den Augenschein.
Solchen Glauben kann keiner und keine von uns selbst schaffen,
wir können ihm nur unsere Türen und Herzen öffnen….
ihn leben und bewahren, auch in Leid, Not und Zweifel.
Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!
Selig sind wir, wenn wir nicht aufhören zu fragen und zu staunen:
Wie kann das sein, dass du, Jesus lebst!
Amen
Prädikantin Friedegard Brohm-Gedeon
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