Predigt
Pfarrerin Ulla Knauer
3. Sonntag nach Epiphanias (23.01.2022)
Predigt zu Matthäus 8, 5-13
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
- Einstieg (Grenzen überwinden)
Liebe Gemeinde!
Es gibt diesen Spruch: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“. Der Spruch erinnert an die Möglichkeit, Grenzen überwinden zu können. Reale Grenzen, wie Ländergrenzen, oder Mauern aus Stein oder Stacheldraht. Genauso wichtig die Grenzen in unseren Köpfen. Vorhin in der alttestamentlichen Lesung (1. Könige 5, 1-19*) hat diese Grenzen der fremde Diener Naaman überwunden. Er überschreitet Landesgrenzen, aber auch Denkgrenzen (wie soll ein Heiler/Arzt handeln) mit Hilfe seiner Begleiter. Er bekommt Hinweise und Unterstützung. Er schafft es zu vertrauen und kehrt nicht nur gesund, sondern mit der Erkenntnis Gottes nach Hause zurück.
Heute hören wir von noch Einem, der gesellschaftliche und gedankliche Grenzen überwindet. Es geht um den Hauptmann von Kapernaum, der sich aus Sorge um seinen kranken Knecht an Jesus wendet.
- Text
Hören wir auf die Worte aus dem Matthäusevangelium im 8. Kapitel:
Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn 6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen. 7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 9 Denn auch ich bin ein Mensch, der einer Obrigkeit untersteht, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er's. 10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden! 11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen; 12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die äußerste Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern. 13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.
III) Der innige Wunsch des Hauptmanns geht in Erfüllung.
Ein römischer Hauptmann wünscht sich nichts sehnlicher, als dass sein Knecht wieder gesund wird. Er vertraut sich Jesus an und sein Wunsch geht am Ende in Erfüllung. Vorhin, in der alttestamentlichen Lesung, ging am Ende der Wunsch des Ausländers Naaman in Erfüllung, von seinem Aussatz, einer Hautkrankheit, geheilt zu werden. Zwei Wünsche als Beispiel für viele Wünsche und Fragen, die sich an Jesus oder Gott wenden.
Noch ein Wunsch wird im Predigttext erlebbar. Eher indirekt. Denn neben dem Hauptmann und Jesus, ist da die Zuschauermenge, zu der auch wir uns zählen können. Es wirkt sehr schroff und bedrohlich, wie sich Jesus ihnen zuwendet mit Bildworten von Finsternis und Zähneklappern. Dahinter stehen der Wunsch und die Frage, die damals und vielleicht ja auch viele heute umtreibt: Wie komme ich ins Himmelreich? Komme ich überhaupt ins Himmelreich?
Den Wünschen gemeinsam ist, dass der Weg zur Erfüllung auf Jesus Christus trifft. Wie in einer Tür, wie in einem Tor steht er.
Das erinnert mich an ein uraltes Kinderspiel. Ich hatte es ewig nicht gespielt, und wurde konfrontiert, als ich unser erstes Kind zum Eingewöhnen in den Kindergarten brachte. Wir sollten in die Gruppe gehen, da stand ein Kind quer in der Tür und versperrte den Weg. Es rief „Tür zu!“ oder „Versperrt“. Es hätte die erste kleine Krise werden können. Doch in Bruchteilen von Sekunden wusste ich wieder die Antwort, die man dem Kind in der Tür geben muss: Hand zum Patschen reichen und „bezahlt“ rufen. Zack wurde der Weg frei. Und unser großer hatte ein neues Spiel gelernt. Die Tür war offen.
In Bruchteilen von Sekunden entscheidet sich auch die Genesung des kranken Knechts. Denn Jesus erkennt gerade in diesem Moment das Vertrauen und das Machtzugeständnis, das ihm dieser römische Hauptmann gibt. Umso mehr betont die Geschichte den Beruf des Bittenden. Ein römischer Soldat im höheren Dienst. Soldaten waren keineswegs beliebt. Erstens nicht, weil sie der Fremdherrschaft angehörten. Viel zu sehr wünschte man sich ein eigenes Land zurück und fühlte sich unterdrückt. Und zweitens, weil Soldaten als Menschen galten, die ohne Nachzudenken handelten. Befehle empfangen und ausführen. Vielleicht ein wenig so wie heute manch Beamter unbeliebt ist, dem der Buchstabe des Gesetzes wichtiger ist, als die individuelle Situation des Antragstellers.
IV) Besonderheiten der Geschichte / Schwerpunkte
Besondere Begegnungen mit eben nicht-typisch-jüdischen Landsleuten prägen ja das Leben Jesu. Er geht auf die Kranken zu. Auf die Zöllner, die für die Fremdherrschaft arbeiten, redet mit Ausländern, verleiht Samaritern im Gleichnis Vorbildstellung. Und hier wieder. Ein Römer, auch ein noch ein Soldat in höherer Stellung, wird zum Vorbild.
Diese Begegnung wurde in der Urkirche weitererzählt und zur Sammlung des Jesus-Wissens dazugefügt. Das erkennt die neutestamentliche Forschung daran, dass gleich drei Evangelisten davon erzählten. Matthäus, Lukas und Johannes.
Alle drei berichten von einem Hauptmann, der um Heilung für seinen Knecht bittet. Dabei wählen alle drei Evangelisten verschiedene Schwerpunkte bei ihren Beschreibungen. Schon damals haben sie sich überlegt, was für sie besonders eindrücklich war und für ihre Leser sein soll. Für Matthäus ist es das wahrhaftige Vertrauen in Christus, gerade von einem Nichtjuden. Der Hauptmann hat eine Gottesbegegnung und macht in diesem Moment alles richtig, vor allem bekennt und gesteht er Jesus zu, dass er Macht hat, eben auch Kranke aus der Ferne gesund zu machen.
Lukas betont die Fernheilung. Bei ihm reicht es schon, dass der Hauptmann einen anderen Diener zu Jesus schickt und die Bitte ausrichtet, so groß ist sein Vertrauen.
Und bei Johannes wird die Fürsorge zu jenem Knecht betont. Ungewöhnlich, dass sich ein Hauptmann so für einen Untergebenen einsetzt. Die Knechte und Soldaten waren quasi austauschbar. Johannes beschreibt das Verhältnis bzw. die Fürsorge als Vater-Sohn-Beziehung. In seiner Fürsorge wird der Knecht zum Sohn des Hauptmanns.
Allen drei gemeinsam bleibt das innige Vertrauen in Christus. Doch bei allen dreien fällt auch auf, was nicht da steht. Es steht nicht da, wie die Zuschauer und Zuhörer reagieren. Obwohl sie doch überrascht, erschrocken, bewundernd, brüskiert gewesen sein mussten.
V) Die Situation der Zuhörer
Auf jeden Fall war ihnen das Geschehen nicht egal. Es wurde immer wieder erzählt. Bis das Ereignis in die Jesus-Sammlungen geriet und bis heute gelesen werden kann.
So können auch wir uns einreihen in die Zuhörerschaft und fragen: Was hat diese heilvolle Begegnung nun mit mir zu tun?
Denn schnell, wird ja die Frage nach dem Warum laut: Warum wird diesem Mann geholfen? Warum meinem krebsleidenden, ebenso gläubigen Bekannten nicht? Warum schenkt Jesus hier Rettung und Heil, und gleichzeitig erleiden tausende Menschen Gewalt, selbst Kinder werden missbraucht, wie diese Woche erschütternd dargelegt wurde. Wo ist da Gottes Heil? Natürlich drängt sich diese Frage auf!
VI) Heilung als besonderer Moment der Gottesnähe
Schaut man sich den Hauptmann und Naaaman noch einmal an, so merkt man zumindest, dass uns hier von einem besonderen, aber eben nur von Einem Moment ihres Lebens erzählt wird. Was ansonsten in ihren Leben geschieht wissen wir nicht. Ob sie vorher oder nachher ein einfaches oder schwieriges, glückliches oder bedrückendes Leben geführt haben, wissen wir nicht. Wir kennen nur diesen Einen Moment, und dürfen teilhaben.
Auf Griechisch nennt man so einen entscheidenden Moment, Kairos, ein besonderer Zeitpunkt. So einen Kairos, so ein Blitzerlebnis durfte der Hauptmann von Kapernaum haben.
Und wir können daraus Zuversicht mitnehmen: Auch auf meinem Lebensweg gab und gibt es diese besonderen Momente. Wo sich in Sekundenschnelle das Handeln und innere Haltung entscheidet oder offenbart.
Dann ist es aber mehr als ein Spiel an der Kindergartentür, dann wird es Wahrheit, wer ich bin, was ich glaube, und wie ich handle.
VII) Einladung zu einer persönlichen Übung
Ich möchte heute nicht Belehrungen enden, gerade weil solch Heilungsgeschichten zwar hoffnungsvoll, aber nie einfach sind. Ich möchte Sie einladen, zu einer Übung: Ich denke, wenn wir auf unser Leben (Lebensweg) zurückschauen, erkennen wir auch den ein oder anderen Moment, der besonders war. An dem sich entschieden hat, welche Haltung mein oder Ihr Herz hat. Vielleicht war da sogar eine besondere Nähe Gottes zu erleben. Ich werde nun 5 Kerzen anzünden. Wenn Sie mögen, nehmen Sie eine Hand und schauen auf Ihren Lebensweg. Erinnern Sie sich an einen eigenen besonderen Moment in der Nähe Gottes? Oder einen heilvollen Moment? Vielleicht sogar 2, manch einer sogar 5? Nehmen wir uns diesen Moment der Stille zur eigenen Rückschau, natürlich freiwillig.
(Pfarrerin Knauer zündet nun während der Stille 5 Kerzen an der Osterkerze an, symbolisch für die persönliche Erinnerung. --- Sie waren nicht im Gottesdienst? Gerne können sie die Übung daheim für sich machen. Vielleicht mögen Sie Teelichter für Ihre Erinnerungen verwenden.)
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
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