Predigt über Joh 2, 1-12 am 2. Sonntag nach Epiphanias 2021
Liebe Predigtleserin, lieber Leser!
Nein, sie sitzen nicht gemütlich auf dem Sessel daheim, sondern auf der harten, aber immerhin warmen Kirchenbank in der Johanneskirche. Beim Reinkommen haben sie sich vielleicht über den weihnachtlichen Glanz gewundert und gedacht: „Das ist ja wie bei Käthe Wohlfahrt in Rothenburg oder Nürnberg, wo das ganze Jahr Weihnachten ist.“ Gefühlt ist das Fest doch längst vorbei. Die alten Bäume stapeln sich an der Straßenecke, und die meisten Kerzen sind abgebrannt. Wir sind mittendrin in den beiden dunklen Monaten, die für mich immer die längsten sind. Gegen die trübe Stimmung hilft unser Predigttext. Wir werden mitgenommen auf ein Fest.
1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. 3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. 7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn. 12 Danach ging Jesus hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nicht lange da.
Was für ein merkwürdiges Fest. Wo ist denn die Braut? Vergeblich halten wir nach ihr Ausschau. Dann werden wir ungewollt Zeugen einer Auseinandersetzung zwischen Jesus und seiner Mutter, die so heftig ist, dass man Jesus nicht widererkennt. Und schließlich geht auch noch der Wein aus, und das Fest droht zu Ende zu gehen, ehe es richtig begonnen hat. Und es fällt auf: Es gibt gar keinen geschmückten Raum, keinen festlichen Saal für diese Feier. Nicht einmal eine Tür, die die Grenze zwischen drinnen und draußen markiert. Das lässt nur einen Schluss zu: Wir sind längst drinnen und Teil der Festgesellschaft!
Auf so einem Fest fühle ich mich anfangs stets äußerst unwohl. Das hält an, bis ich die ersten bekannten Gesichter entdeckt habe. Darum bin ich so froh, dass sie, liebe Gemeinde, auch mit auf dem Fest sind. Und wir entdecken weitere Bekannte: Jesus, seine Mutter Maria, seine Brüder und Jünger.
Nun haben wir Platz genommen, haben etwas gegessen und fangen an, uns wohlzufühlen. Da geht die Stimmung schlagartig in den Keller. Als ob man das Licht ausgedreht hätte. Der Grund dafür ist schnell gefunden. Der Wein ist ausgegangen. Wie soll man da weiter Hochzeit feiern? Soll dieses Fest, das auf sieben Tage angelegt ist, etwa schon vorzeitig zu Ende sein?
Unser Blick fällt auf Maria. Sie vertritt die Hochzeitsgesellschaft. Sie macht sich zur Anwältin der Durstigen; derer, die sich nicht damit abfinden können, dass dieses Fest schon vorbei sein soll. Und sie weiß, es gibt nur einen, der hier Abhilfe schaffen kann: mein Sohn Jesus. Darum sagt sie zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Was ist das? Eine Feststellung? Ein Vorwurf; eine Bitte? Gar ein Befehl? Die Antwort Jesu ist abweisend: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Das klingt verletzend und schroff. Das klingt nach einem tiefen Konflikt in der Familie derer aus Nazareth.
Vielleicht sollten wir es als wirkliche Frage Jesu hören: Was habe ich mit den Durstigen zu tun, für die du eintrittst? Was ist meine Rolle auf diesem Fest? Wie stehe ich zu den Menschen, die sich nicht mit dem Ende dieses Festes abfinden wollen. Vor allem: Wie stehe ich jetzt zu ihnen, wo meine Stunde noch nicht gekommen ist?
Immer wieder läuft der Bericht des Johannesevangeliums auf diese Stunde hin. Und erst wenn diese Stunde gekommen ist, wird durch Jesu Leiden, Sterben und Auferstehen deutlich werden, dass Jesus von seinem himmlischen Vater kommt und zu ihm geht; dass sein ganzen Leben ein Zeichen ist, dass auf Gott verweist. Jetzt ist diese Stunde noch nicht gekommen. Obgleich Johannes mit einem starken Signal auf sie hinweist, denn die Hochzeit zu Kana findet am dritten Tage statt, dem Auferstehungstag. Wenn Jesus jetzt eingriffe, müssten ihn die Leute als einen Wundertäter missverstehen.
Maria ist unbeeindruckt. Sie weiß, dass nur Jesus das Fest retten kann. Darum sagt sie zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.
Unser Blick streift weiter über die Festgesellschaft, und wir entdecken sechs riesige Wasserkrüge. Einer fasst zwischen 80 und 120 Liter. Das lässt auf die große Zahl der Gäste schließen. Denn jetzt sind sie leer. Alle, die zum Fest gekommen sind, haben sich an dem Wasser erfrischt und vor allem damit die Hände gereinigt. Denn so schreibt es Gottes Gebot vor. Die Krüge stehen geradezu für Gottes Gesetz, die Thora. Jetzt sind sie leer. Niemand, der bei dem Fest dabei sein will, kommt an Gottes Gebot vorbei. In ebendiese Krüge, die für die Thora stehen, befiehlt Jesus, Wasser einzufüllen.
Das ist die Aufgabe der Diener. Auf sie haben wir bisher gar nicht geachtet. Sie gehören nicht zur Festgesellschaft, sondern auf die Seite des Hausherrn. Sie sind die ersten, die den Unmut der Gäste abbekommen, wenn es nichts mehr zu trinken gibt. So wie wir es verärgert dem Kellner mitteilen, wenn die Suppe versalzen ist, obgleich er sie gar nicht gekocht hat.
Wasser sollen die Diener in die Krüge füllen. Wasser – das kostbarste aller Lebensmittel. Wasser steht für das Leben schlechthin, denn ohne Wasser gibt es kein Leben. Aber – so wird Jesus wenig später der samaritanischen Frau am Brunne sagen – wer vom Wasser trinkt, wird sein Leben lang immer wieder Durst haben, bis zum Tod.
Von dem Wasser aus den Krügen schöpfen die Diener und bringen es zum Speisemeister. Noch eine neue Figur auf diesem Fest. Der Speisemeister kontrolliert was Küche und Keller verlässt. Er weiß nicht, wie es zubereitet ist; aber er weiß, ob es gut genug ist, es den Gästen vorzusetzen. - Es ist gut! Es ist Wein von allerbester Güte!
Der Speisemeister ist letztlich nicht entscheidend. Er beurteilt nur das Ergebnis. Die Diener aber wissen mehr. Es gibt nicht den einen Moment, in dem Wasser zu Wein geworden wäre. Es gibt kein Zauberwort oder den unerklärlichen Augenblick, in dem das Glöckchen klingelt. Es gibt nur die, die sich in den Dienst nehmen lassen und schöpfen.
Johannes will uns sagen: Wer voll Vertrauen aus der Fülle Gottes schöpft, der wird nicht enttäuscht werden, dessen Leben soll ein Fest sein. So wie das Wasser für das Leben überhaupt steht; so der Wein für das Besondere, das ewige Fest, das uns selbst verwandelt; das den Wechsel von Leben und Tod überbietet. Die unvorstellbare Menge an gutem Wein lässt an den Wochenspruch denken: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Der Speisemeister ist entzückt und verwirrt zugleich. Und er ruft den Bräutigam: Jedermann gibt zuerst den guten Wein, auf dass die Gäste die Großzügigkeit und den guten Geschmack des Hausherrn loben, und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. Er meint es gut mit den Finanzen des Bräutigams. Er vertritt eine Ökonomie der Sparsamkeit und des Mangels. Der Wein aber steht für Gottes Ökonomie, bei der gilt: Es ist genug für alle da, und das Beste steht noch aus; das Beste kommt zum Schluss.
Das Hochzeitsfest, das drohte zu platzen, ist gerettet. Jesus, seine Mutter, seine Brüder und die Jünger aber verlassen das Fest. Wir dagegen bleiben noch. Denn es ist noch unglaublich viel Wein da.
Johannes nennt das, was geschehen ist, ein Zeichen. Wäre es ein Wunder, so richtete sich unser fragender Blick einzig auf den einen Moment, wo Wasser zu Wein wurde. Ein Zeichen aber ist mehr. Denn es weist über sich selbst hinaus. Denken wir uns auf der Straße ein Schild: „Nürnberg 20 km“. Wir können das Zeichen so lange betrachten, wie wir wollen. Wir werden nie die Schönheit Nürnbergs kennenlernen. Man muss sich auf den Weg machen! Der Wein muss getrunken werden! Das ganze Leben Jesu ist für den Evangelisten ein Zeichen, das auf die Liebe Gottes verweist; auf ihre Präsenz in unserem Leben und in der Welt. Und das Zeichen der Hochzeit zu Kana kennzeichnet dieses Leben mit Gott als ein Fest. Die Hochzeit ist ein altes biblisches Bild für Gottes Liebe zu seinem Volk. Er ist der Bräutigam, der um seine geliebte Braut Israel wirbt.
Wo war auf diesem Fest gleich die Braut? Und wer ist sie?
Zu einem Fest gehört die Musik. Und eine besonders schöne, musikalische Antwort hat der Liederdichter und Komponist Philipp Nikolai gegeben mit seinem Lied „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. Spitzen sie gleich die Ohren. Und liebe Leserinnen und Leser, schlagen sie es nach: EG 70, 5-7.
So oder so, wir sind eingeladen! Und der Wein ist noch lange nicht ausgetrunken…
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre und regiere unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
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