Predigt
Pfarrerin Ulla Knauer
Christnacht (24.12.2021)
Predigt zum Brief an Titus (Titus 2, 11-14)
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde! Ich fange mit einer Geschichte an. Siegfried Macht hat sie erzählt: „Einst hörte der König, dass vor den Toren seiner Stadt ein weiser Mann leben solle, der große Dinge täte. Dem schickte er den kostbaren Edelstein und ließ ihm sagen: „Es heißt, Gott hätte dich reich bedacht; so wird es dir ein Leichtes sein, meinen Knecht reicher beschenkt zu mir, deinem König, zurückzusenden, als ich ihn zu dir sandte.“ Der Knecht kam zurück, mit leeren Händen - aber sprach ein Gebet, das der Weise ihn gelehrt hatte. Zornig schickte der König abermals Knechte hinaus und ließ den Weisen vor sich rufen: „Habe ich dir nicht meinen größten Schatz gesandt – und du speist mich ab mit leerem Geschwätz?“ Der aber sprach: „Entscheide du selbst, was wertvoller ist: Du hast mir etwas geschickt, das ich behüten musss – ich aber sandte dir etwas, das dich behüten wir.“
Um ein Geschenk geht es hier, und um die Frage, welches Geschenk ist wirklich wertvoll? Ich denke, dass unter Ihrem Weihnachtsbaum - so Sie einen haben -auch schon heute Abend Geschenke lagen. Was macht ein Geschenk wertvoll? Wenn es ausgepackt wird, und die Augen strahlen, nicht nur weil ein Posten auf der Wunschliste erfüllt wurde. Sondern weil der Beschenkte spürt: Da kennt mich jemand. Da weiß jemand wer und wie ich bin. Da wollte mir jemand ehrlich eine Freude machen.
Der Mensch, der glücklich beschenkt wurde, merkt er oder sie wird gesehen, an ihn oder sie wurde gedacht. Er oder sie ist Teil einer tragenden Gemeinschaft und Verbundenheit.
Hier in der Christnacht, erinnern wir an das größte Geschenk, dass Gott uns gemacht hat. Er wurde Mensch. Er hat sich uns offenbart, in Wort und Tat. Und ging als Mensch bis ans Äußerste, das die Liebe zulässt, bis in den Tod. Hier in der Christnacht beginnt das Zeichen der Liebe Gottes zu uns.
Auch unser Predigttext erinnert an dieses große Weihnachtsgeschenkt und nennt es „heilsame Gnade“. Hören wir auf den Titusbrief im 2. Kapitel:
Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen
12 und erzieht uns,
dass wir absagen dem gottlosen Wesen und den weltlichen Begierden
und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben
13 und warten auf die selige Hoffnung
und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands, Jesus Christus,
14 der sich selbst für uns gegeben hat,
damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit
und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum,
das eifrig wäre zu guten Werken.
Einordnung:
Wir befinden uns im Titusbrief. Ein Brief der jungen Christengemeinden, der aufgehoben und weitergegeben wurde. Der Verfasser schreibt an den Mitarbeiter Titus. Ende des 1. Jahrhunderts waren bereits einige christliche Gemeinden in Südeuropa und Kleinasien entstanden. Die Apostel und vor allem der Wandermissionar Paulus hatten sie gegründet, und Kontakt gehalten über Mitarbeiter und Briefe. Dieses Modell lief auch in der 2. Generation weiter, also gegen Ende des 1. Jahrhunderts. Von der paulinischen Lehre beeindruckt gründeten sich Paulus-Schulen. Das waren christliche Schreiber, die im Stil des Paulus Briefe an die Gemeinden verfasst haben. Daher behielten die Briefe auch den Verfassernamen Paulus. Das war im antiken Griechenland völlig üblich. Der kleine Titusbrief hat es in den Kanon der Heiligen Schrift geschafft. Warum? Er ist leidenschaftlich. Vor und nach unserer Stelle geht es um das Verhalten eines Christen und einer christlichen Gemeinde. Durch vorbildliches, freundliches Verhalten sollen die Gemeinden leuchten und wachsen. Und mittendrin in all den Ermahnungen und Tugenden, die aufgelistet werden, steht unser Text: „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes“
Eine heilsame Unterbrechung
Die lange Liste an Wünschen und Ermahnungen, wird unterbrochen, und noch ein klargestellt, wer hier wünscht oder besser gesagt, wer hier wirkt. Nicht er, der Theologe und Schreiber, sollte Grund sein, dass sich die Menschen verändern, freundlich zueinander sind, sich dem Dienstherrn unterordnen, sich um den Frieden in der Familie bemühen, sich geduldig verhalten, einander ermahnen, gastfreundlich sind, auf das Wort Gottes hören, miteinander teilen. An der Kreativität für Tugendlisten in der Christenheit hat es nicht gemangelt. Es ist der ernste Wunsch, dass sich Gottes Liebe in den Menschen, die ihn gefunden haben, doch auch zeigen müsste.
Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes. Wie ein Vorfahrt Achten – Schild. Achtung, kurz stehen bleiben, innehalten. Warum gehe ich meinen Weg? Weil Gott zuerst in mein Leben getreten ist.
Stehen bleiben, innehalten. Dem Grund nachspüren. Mitten im Fluss des Textes eine Erdung, eine Unterbrechung. Eine Unterbrechung kann heilsam sein. Wenn ich mitten im Gewusel stehe, noch das Wohnzimmer aufräume, sauge und wische, Spielsachen der Kinder wegräume, und noch einmal die Blumen gieße, dann kann der Blick bei all dem Werkeln einmal auf ein Bild an der Wand hängen bleiben. Klar, es hängt immer da. Aber in jenem Moment, erkenne ich etwas. Erinnere mich an ein Erlebnis, an eine Person. Weiß wieder, warum das Bild seinen Platz in meinem Wohnzimmer hat, warum in meinem Leben. Ein Moment des Innehaltens, ehe sich ein Lächeln ausbreitet, und die Arbeit mit allem Gewusel weitergeht.
Jetzt, heute Nacht, halten auch wir, Sie und ich inne. Unterbrechen das Essen, Feiern und Erzählen zu Hause. Hören die Geschichte von Bethlehem. Werden still. So wird Raum frei in unserer Seele, um zu erinnern und nachzuspüren. Auch zu mir kommt Gott in Jesus Christus. Auch ich darf mich einreihen zwischen mittellosen Hirten und vermögenden Sterndeutern. Die heilsame Gnade. Seine Liebe mit Wirkkraft will auch in mir wohnen. Und wenn wir hören, was damals geschah, dann hören wir von Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, nicht stehen geblieben sind oder ignorieren konnten. Die Hirten haben ihren Posten verlassen. Die Sterndeuter haben eine lange Reise auf sich genommen. Wenn ich spüre, Gott liebt mich, Gott will mich retten, dann werde auch ich mich bewegen können. Der Predigttext nennt diese Einstellung „Eifrig“. Eifrig sein, in alten Worten: gerecht und fromm, und hoffend auf das Wiederkommen Jesu.
Es ist wie eine christliche DNA, die der Text beschreibt, wie ein kräftiger, notwendiger Herzschlag, der dafür sorgt, dass Kraft und Bewegungsfähigkeit durch den Körper fließt.
Das Wunder erkennen
Albert Einstein sagte einmal:
Es gibt 2 Arten sein Leben zu leben: Entweder so, als wäre nichts ein Wunder. Oder so, als wäre Alles ein Wunder.
Weihnachten erinnert uns an das Licht in der Finsternis. Mit Christus, sehen wir das Wunder und die Liebe Gottes, auch während wir schockiert sind von Naturkatastrophen. Auch während wir bangen um Solidarität und Gemeinschaft in Zeiten der Pandemie. Auch während wir uns sorgen um erkrankte Mitmenschen, nicht nur mit der Diagnose Corona. Auch während wir bestürzt sind, von der Not der Flüchtlinge, der Krisengebiete.
Der Verfasser des Titusbriefes will nicht aufgeben, er vertraut der Kraft, die sich in Weihnachten und im Leben Jesu zeigt. Er vertraut darauf, dass jeder neue Christ, jede neue Christin ihr DNA spürt, den Wunsch am Friedensreich mitzuwirken in Familie und Gemeinde. Das wäre für den Verfasser das wertvollste Geschenk. Wenn Menschen zu Gott finden, das Geschenk Gottes erkennen, und ihr Leben eine Antwort auf Gott ist.
Welche ein Geschenk!
Ich begann mit einer Geschichte. Für den Gelehrten war das wertvollste Geschenk ein Gebet für jemand anderen.
Was wäre für uns wertvoll? Ein Heilmittel? Eine Versöhnung in der Familie? Mehr Frieden?
Das Größte Geschenk ist schon da. Gott selbst kommt in unser Leben. Daran erinnern wir heute. Gott selbst kapselt sich nicht ab, zwingt niemanden, aber lädt jeden zu sich ein. In der biblischen Überlieferung heißt es: Nach dem Erlebnis im Stall ziehen die Hirten jubelnd, singen, und erzählend nach Hause. Sie können nicht still bleiben, seit diesem Erlebnis. Sie teilen die frohe Botschaft.
Wie die Glocken, nicht leise sondern laut erklingen. So stark und krätig möge in Ihnen die Weihnachtsbotschaft nachklingen, dass Sie wie Albert Schweizer in allem noch ein Wunder sehen und wir alle zu Boten Gottes werden, wenn wir sie wieder uns erzählen, die Weihnachtsgeschichte.
Der Gelehrte aus der Geschichte sagte: „Ich aber sandte dir etwas, das dich behüten wird.“ Gott Vater selbst könnte diesen Satz uns zurufen. Christus wurde gesandt, um mich und dich zu behüten. Amen.
Und der Friede, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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