Predigt zum Christfest, 25.12.2023, in der der ev.-luth. Johanneskirche in Erlangen. Pfarrerin Dr. Bianca Schnupp
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen.
Wir wollen in der Stille um den Segen des Wortes beten.
...
„Du, ewiges Wort, auf Erden als Mensch geboren, komm und belebe uns. Amen.“
Liebe Gemeinde!
I Die Vorgeschichte
Eine wunderbare Weihnachtsgeschichte hören wir heute. Wunderbar erzählt ist diese Weihnachtsgeschichte. Sie hat eine Vorgeschichte, die man kennen muss. Da geht es um unglaubliche Bedrohung des Volkes Israel. In Ägypten war das. Dass einer vom Volk Israel ganz Ägypten vor dem Hungertod bewahrt hatte – das war seit langem vergessen. Man fand nur: Die sind zu viele. Die müssen wir klein halten. Und so wurde erst einmal Zwangsarbeit angewendet und als das nicht half, sollten die jüdischen Jungen gleich bei der Geburt getötet werden. Den Hebammen befahl das der Pharao – die aber befolgten den Befehl nicht. Und kamen mir ihrer billigen Ausrede davon. Wie wunderbar. So gab es der Pharao als allgemeinen Befehl heraus: Alle Söhne, die den Hebräern geboren werden, werft in den Nil. Die Töchter lasst leben. Was für eine Bedrohung!
Hier setzt unsere wunderbare Weihnachtsgeschichte ein.
II Eine wunderbare Weihnachtsgeschichte
Sie ist so schön erzählt, ich lese sie einfach vor: Aus dem 2. Buch Mose, dem 2. Kapitel.
21Und es ging hin ein Mann vom Hause Levi und nahm eine Tochter Levis zur Frau. 2Und sie ward schwanger und gebar einen Sohn.
Und als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate.
3Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Kästlein von Rohr für ihn und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils.
4Aber seine Schwester stand von ferne, um zu erfahren, wie es ihm ergehen würde.
5Und die Tochter des Pharao ging hinab und wollte baden im Nil, und ihre Dienerinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen.
6Und als sie es auftat, sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein.
7Da sprach seine Schwester zu der Tochter des Pharao: Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille? 8Die Tochter des Pharao sprach zu ihr: Geh hin.
Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes. 9Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein mit und stille es mir; ich will es dir lohnen. Die Frau nahm das Kind und stillte es.
10Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es ward ihr Sohn, und sie nannte ihn Mose; denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
III Drei Beobachtungen an der Geschichte
Was für eine wunderbare Weihnachtsgeschichte!
Drei Beobachtungen dazu:
Eine Frau bringt einen Sohn zur Welt. „Und sie sah, dass es ein feines Kind war“ – das ist anrührend und liebevoll übersetzt. Ein Blick ins Hebräische spannt dazu noch einen ganz großen Bogen: Ganz wörtlich wiedergegeben heißt es: Sie sah – ja! – gut! Und das sind genau Gottes Worte vom allerersten Anfang: Das Licht – ja, gut! „Und Gott sah, dass es gut war!“ Die Sonne, der Mond, die Sterne – ja, gut! Die Pflanzen und Tiere – ja, gut! Bis hin zum Menschen in Mann und Frau: ja, gut!
Die Mutter betrachtet ihr Neugeborenes – ja – gut! Die ganze Güte der Schöpfung zeigt sich im neugeborenen Kind. „Jedes neugeborene Kind bringt die Botschaft, dass Gott sein Vertrauen in die Menschheit noch nicht verloren hat.“ so hat es der indische Christ Rabindranath Tagore bündig formuliert.
Dieses Kind, es ist bedroht. Um es zu retten, kommt es in eine Kiste. Eine kleine Kiste – aber eben genau so eine Kiste, wie die aus dem ersten Mosebuch, die Mensch und Tier durch die große Flut brachte. Manchmal geht es nicht ohne eine Rettungskiste mit aller ihrer Enge, Begrenztheit und Dunkelheit. Ein Schutzraum. [Am 2. Dezember vor 85 erreichten die ersten zweihundert Kinder Großbritannien. Jüdische Kinder, von ihren Eltern unter Schmerzen weggeschickt, damit ihr Leben gerettet werden konnte.] Als die Mutter ihr Kind in die Kiste legt, weiß sie nicht, wie es weitergeht.
Alle Beteiligten nutzen ihren Handlungsspielraum einfach aus. Um das Gute zu erreichen. Sie tun einfach, was nötig ist. Sie fragen nicht ängstlich zurück bei einer höheren Stelle – was hatten Frauen denn schon zu sagen in jenen Tagen, auch wenn es eine Tochter des Pharao war – nein, sie tun einfach das Gute.
IV Wo sind wir in dieser Geschichte?
Eine wunderbare Weihnachtsgeschichte – wir erzählen sie heute ja deshalb, weil wir uns darin finden können. An zwei Orten:
Zum einen können wir uns finden in all diesen Frauen, die so selbstverständlich das Gute tun. Und sie tun das deshalb, weil das Kind sie anrührt. Ja, die ganze Güte der Schöpfung ist in einem Kind zu erkennen – hier liegt wohl auch der tiefste Grund dafür, dass Weihnachten nicht totzukriegen ist. Allem Irrsinn zum Trotz, der sich so um dieses Fest angelagert hat. Ein Kind in seiner Unvoreingenommenheit und Hilflosigkeit – das rührt uns an. So also ist Gott Mensch geworden. Und Jesus von Nazareth hat diese kindliche Unvoreingenommenheit und Hilflosigkeit durchgehalten. Sein Leben lang. Ganz irdisch gesehen ist diese Hilflosigkeit mit dem Kreuz an ihr Ende gekommen. Den göttlichen Eingriff der Auferweckung können wir irdisch-historisch nur sozusagen von außen fassen: Da sind ganz kurz nach Jesu Tod seine Freunde und Weggefährtinnen überzeugt: Der lebt. Der Gekreuzigte lebt und ist da. Wir können davon hören, wir können mit Jesu Weggefährtinnen ein Stück mitgehen, wir können mit Jesu Freunden unterwegs sein und da dann irgendwo merken: Ja, er ist da. Er lebt. Und uns dann mit neuer Gewissheit dem Kind Jesus zuwenden, in allen seinen Gestalten, die der Hilfe bedürfen. [Ich habe Menschlichkeit immer da am intensivsten erlebt, wo die Hilflosigkeit besonders groß war: In der Kinderklinik und im Seniorenheim.] Hautfarbe und Herkunft spielen dann keine Rolle mehr.
Ja, wir können uns wiederfinden in dieser Geschichte an der Seite der Frauen, die so selbstverständlich das Gute tun – weil sie angerührt sind von dem Kind und seiner Not.
Wir können uns noch an einem anderen Ort finden in dieser wunderbaren Weihnachtsgeschichte: Manche von uns kennen diesen Ort nur zu gut.
Eng ist es da, bedrückend, kein Platz. Dunkel ist es da. Kein Licht. Bewegung ist kaum möglich. Nur Weinen kann man. Die Hilflosigkeit ist überwältigend. Auf die Rettung kann ich nur warten. Ob sie je kommt, weiß ich nicht. Aber ich hoffe.
Dann geht die Kiste auf.
Es ist hell.
Liebevolle Blicke erreichen mich.
Die Rettung ist da.
Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt...
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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