Miserikordias Domini 26.04.2020 Predigt Pfarrerin Dr. B. Schnupp
1. Petrus 1, 21-25
„Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen;
22 er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand;
23 der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte, nicht drohte, als er litt, es aber dem anheimstellte, der gerecht richtet;
24 der unsre Sünden selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.
25 Denn ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“
Liebe Schwestern und Brüder,
tragen Sie Krone oder sind Sie in Ketten?
Wir können unsere Lebensumstände oft nicht bestimmen. Das merken wir im Moment ganz deutlich. Aber ob wir Krone tragen oder Ketten – das kommt woanders her.
Dieser Tage am Obststand vor unserer Kirche: 2 Kundinnen werden innen bedient. Sie brauchen viel. Es dauert. Außen wartet im gebührenden Abstand eine weitere Kundin. Ein Mann kommt dazu. Nach 5 Sekunden fängt er an, von einem Bein auf das andere zu treten. Nach 10 Sekunden fängt er an, vor sich hinzumurmeln. Unverständliche Worte, aber die Botschaft ist klar: Ich habe schlechte Laune, finde alles doof, und überhaupt: Was stehen Sie hier so blöd rum. Diesen Satz kann die Wartende sogar hören. Soll sie reagieren? Und wie? Da wird ihr Platz frei im Verkaufsstand. Und sie hört sich zu dem Grantler sagen: „Gehn Sie doch vor!“ Der schafft nicht einmal ein Danke, so perplex ist er. – Später bedankt sich die Verkäuferin bei ihr. Und sie kann lächeln und sagen: „Ich hab ja Zeit. Und so war das Gezeter schneller rum.“
Das war wie im Bibeltext, da heißt es von unserem Vorbild Jesus „der, als er geschmäht wurde, die Schmähung nicht erwiderte“.
Da war eine souverän. Sie hat ihr Krönchen getragen.
Sind Sie in Ketten gelegt oder tragen Sie Krönchen?
K. Staritz, © Konvent Evangelischer Theologinnen in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Ich habe diese Wendung von einer frühen Kollegin von mir. Katharina Staritz hieß sie.
Sie war die erste Frau, die in Marburg theologisches Examen ablegte. 1928 war das. Danach arbeitete sie in ihrer Heimatstadt Breslau. Sie gab Konfirmationsunterricht und hielt Bibelstunden für Frauen und Mädchen.
Pfarrerin durfte sich nicht heißen. Sie war „Stadtvikarin“ von Breslau.
Als die Nazis an der Macht waren, arbeitete sie für das Büro Grüber, das vielen Juden zur Ausreise verhalf. In Breslau wurde 1941 der Judenstern eingeführt. Da schrieb sie einen Brief an die Pfarrer in Breslau. Sie weist darauf hin, dass unter den Menschen diese Kennzeichnung tragen müssen, auch evangelische Christen sind. Sie stellt klar: „Es ist Christenpflicht der Gemeinden, sie nicht etwa wegen dieser Kennzeichnung vom Gottesdienst auszuschließen.“ Im Gegenteil, sie sollen besonders liebevoll behandelt werden.
Daraufhin wurde sie verhaftet. Polizeigefängnis, Arbeitserziehungslager, KZ Ravensbrück. 1943 kam sie wieder frei.
Sie konnte diese Zeit – wie später auch die Zeit ihrer schweren Krebserkrankung, an der sie auch verstarb- als „Jahr des Herrn“ bezeichnen. Sie hat versucht, auch in diesen schweren und harten Umständen, Jesu Fußstapfen zu folgen: Nicht zu schmähen und zu drohen. Unfreundlichkeit mit Freundlichkeit zu vergelten.
In einer kleinen Schrift („Des großen Lichtes Widerschein“) erzählt sie von dieser Zeit. Und hier findet sich auch das Gedicht mit der Alternative Kette oder Krönlein:
„Wir tragen alle das gleiche Kleid –
wir tragen alle das gleiche Leid –
doch wie wir einer den andern tragen,
ob wir fluchen oder verzagen,
auf anderer Sünden mit Händen zeigen;
oder uns Gottes Gerichten beugen;
uns tiefer und tiefer sinken lassen,
oder Gottes barmherzige Hände fassen,
macht,
daß wir in unseren Leidenstagen
Ketten
oder
ein Krönlein tragen.“
Wir können unsere Lebensumstände oft nicht bestimmen. Das weiß auch unser Predigttext. Er ist eingebettet in Hinweise zur christlichen Lebensführung – an Sklaven und Frauen – für beide Gruppen galt in der Antike, dass ihr Leben sehr fremdbestimmt war. Und oft hart.
Sicher geht es auch darum, Lebensumstände zu verbessern. Auf lange Sicht hat das Christentum da viel Gutes bewirkt. Manchmal hätte alles etwas schneller gehen können, klar.
Aber wie auch immer unsere Lebensumstände sind: Ob wir Ketten tragen oder ein Krönlein – das bestimmt sich anderswoher. Das bestimmt der, dessen Spuren wir folgen. Das bestimmt der gute Hirte, der unser Haupt mit Öl salbt – wie bei den Königen, die wurden auch mit Öl gesalbt. Ob wir Ketten tragen oder ein Krönlein – das bestimmt der gute Hirte, der unsere Ketten löst – er hat die Sünde hinaufgetragen an das Holz, damit sie uns nicht mehr fesselt – er krönt uns mit Gnade und Barmherzigkeit.
Der Bischofsstab ist übrigens aus dem Hirtenstab erwachsen. Ein Bischof ist einer, der nach uns guckt, das ist die Ur-bedeutung dieses Wortes. So folgen wir heiter dem Hirten und Hüter unseres Lebens. Er findet auch in der unwirtlichen Großstadt grüne Auen für uns.
Amen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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