Predigt zum 1. Advent, 29.11. 2020
Sacharia 9,9+10 Pfarrerin Dr. B. Schnupp
Liebe Gemeinde,
da fährt ein Auto vor beim Theaterparkplatz, das hört überhaupt nicht mehr auf, so lang ist es. Eine Stretch-Limousine oder kurz „strech-limo“ hält an, der Chauffeur steigt aus, läuft am Auto entlang, öffnet die hintere Türe, da steigen sie aus, die vier Wirtschaftsschüler, die sich das gegönnt haben zum ihrem Schulabschluss. Eine Fahrt mit der Strech-Limo. Ein Auftritt wie die Stars. Mit einer gepanzerten Strech-Limo, einem Cadillac CT6 fuhr bisher auch der US-Präsident herum, der russische Präsident hat natürlich eine russische Nobelkarosse, die deutschen Bundeskanzler begannen mit Mercedes und haben mittlerweile alle deutschen Marken in Gebrauch, immer in edel und immer gepanzert und mit viel Sicherheitsausrüstung.
Wir aber hören heute von einem, der kommt ganz anders daher, seinen Namen kennen wir, und er kommt arm und schlicht. Auf dem Reittier der armen Leute, seine Füße schleifen fast am Boden, alle können ihn anfassen, er ist ungeschützt.
Ich lese aus dem Propheten Sacharja:
Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Sie-he, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer [hebr.: Geretteter], arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. 10 Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten [hebr.: reden] den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.
Liebe Gemeinde, da kommt einer, der bringt wirklich den Frieden. Und er unterscheidet sich so sehr von allen, die Ansehen haben in der Welt. Wie gut, dass er kommt, unser Friedefürst Jesus Christus!
Für meinen lieben Kollegen Dr. Stahl war das in seiner Jugendzeit ganz, ganz wichtig. Ich habe ihn gebeten, uns selbst davon zu erzählen:
...aus einer Internetpredigt von Dr. Stahl:
„Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
sein Königskron ist Heiligkeit,
sein Zepter ist Barmherzigkeit; […].
O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
so diesen König bei sich hat. […]“ (Evangelisches Gesangbuch 1).
Gerade die beiden letzten Zeilen waren mir in meiner Jugendzeit in der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik ganz wichtig: In unsere, sich atheistisch gebende Gesellschaft wird ge-heimnisvoll dieser König einziehen und seine guten Wirkungen ausstrahlen. Aber ist das nicht auch heute in unserer sich manchmal als dem Glauben nahe gebende, in Wahrheit aber sich als noch viel weitergehender atheistisch und gegenglaubend erweisende Gesellschaft die entscheidende Her-ausforderung, die eigentliche Hoffnung? Dass da eine liebende Macht in unsere Welt kommt, ja: als in unserer Welt geheimnisvoll gegenwärtig erkannt wird! Neben uns, neben Ihnen, neben mir ist – ja: ich wage „ist“ zu sagen! –, neben uns, neben Ihnen, neben mir ist ein „Friedefürst“, ein „König mild“. Ist das nicht unsere Hoffnung für jede Advents- und Weihnachtszeit? Dass wir das ahnen?! Dass wir das ein wenig fühlen können?!“
(die ganze Predigt von Dr. Stahl finden Sie:
https://www.theologie.uzh.ch/static/wp/neben-uns-in-unserer-zeit-der-friedefuerst/)
Unscheinbar kommt unser Friedefürst, nicht unbedingt unsichtbar! Und der Friede, den er bringt, der kommt auch nicht mit großem Trara daher. Sondern in schlichter, geduldiger, zäher Alltagsarbeit.
Wir erkennen ihn, unseren Friedefürsten da, wo Menschen sich um Gerechtigkeit mühen:
2 Konfirmanden stellen die Aktion Quidan Kaisahan (ein Projektpartner von Brot für die Welt) auf den Philippinen vor:
Seht die gute Zeit ist nah! Gott kommt auf die Erde. Das singen wir jetzt gemeinsam.
Unscheinbar kommt unser Friedefürst daher, wir können ihn erkennen im Gesicht eines indischen Nobelpreisträgers Kailash Satyarti und vieler, vieler Kinder:
100 Millionen... – so heißt die Aktion und 5 Konfis erzählen davon.
Unscheinbar kommt unser Friedefürst daher, aber nicht unsichtbar. Kleine Taten der Gerechtigkeit verbinden uns mit ihm. Wie können die aussehen, die kleinen Taten der Gerechtigkeit?
6 Konfirmanden machen die reinste Verkaufsveranstaltung für fair-trade-Produkte, von der Schoko über den Reis bis zu Mangostreifen ist alles dabei.
Liebe Gemeinde, ich möchte eines klarstellen: Dieser Friedefürst, der kommt, ja der ist schon da in unserer Welt, auch wenn die so ganz anders tickt. Unser Friedefürst kommt – von selbst, nicht weil wir mit zusammengebissenen Zähnen arbeiten. Manchmal geraten Predigten auf die schiefe Bahn. Dann hört sich das so an, als ob Jesus Christus erst käme, wenn wir genug für Brot für die Welt gesammelt haben. Oder wenn wir intensiv demonstrieren für Kinderrechte. Manchmal geraten Predigten auf die schiefe Bahn und es hört sich so an, als müssten wir nur genug arbeiten und dann wird es schon mit dem Friedefürst. Nein, das möchte ich ganz klar sagen: Wir leben davon, dass er ganz von selbst kommt. Und wenn wir was tun, dann folgen wir seiner Spur. Das ist Nach-folge im besten Sinn des Wortes. Wir gehen im hinterher. Dem geretteten Retter. [Er ist ja vom Tode auferweckt worden, so heißt es genau in der Bibel. Und zieht so die Seinen mit sich.] Dem sanften, dem, der mit Worten die Völker für den Frieden gewinnt. Wir gehen hinterher und tun Dinge, die wir vielleicht ganz unscheinbar finden: Eine Aktion bekannt machen, die eine Sozialarbeiterin losschickt zu armen Familien – wie unspektakulär! Weniger Schoko essen, aber dasselbe Geld ausgeben, einfach weil es fair ist. So laufe wir ihm hinterher, unserem Friedefürst, müssen uns manchmal anstrengen, zu entdecken, wie er da ist. Werden froh, wenn wir von ihm hören, wenn wir sein Wirken entdecken – mindestens einen Schritt voraus wird er uns immer bleiben. Gott sei Dank!
Amen.
- 23 Aufrufe